Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Befristung des Arbeitsvertrages eines Sozialpädagogen an einem Beruflichen Schulzentrum bei fehlenden Darlegungen des Arbeitgebers zur voraussichtlichen Einstellung des seit Jahren ununterbrochen eingerichteten Berufsvorbereitungsjahres

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht; das setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers in dem Betrieb kein (dauerhafter) Bedarf mehr besteht.

2. Der vorübergehende Bedarf ist zu unterscheiden von der regelmäßig gegebenen Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs; die allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten rechtfertigt nicht die Befristung des Arbeitsvertrages, da sie zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers gehört, das er nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages auf den Arbeitnehmer abwälzen kann.

3. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 SchulG kann die Berufsschule für Jugendliche, die zu Beginn der Berufsschulpflicht ein Berufsausbildungsverhältnis nicht nachweisen, als einjährige Vollzeitschule geführt werden (Berufsvorbereitungsjahr); ist an einer Berufsschule seit Jahren ohne Unterbrechung ein Berufsvorbereitungsjahr eingerichtet, für das der Arbeitnehmer als Sozialpädagoge vor Jahren befristet eingestellt wurde, besteht kein nur vorübergehenden Bedarf, wenn der Arbeitgeber keine Anhaltspunkte dafür darlegt, dass für das folgende oder die nachfolgenden Schuljahre ein Berufsvorbereitungsjahr nicht mehr eingerichtet werden soll.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; SchulG § 8 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Entscheidung vom 13.11.2014; Aktenzeichen 2 Ca 413/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.01.2018; Aktenzeichen 7 AZR 21/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 13.11.2014 - 2 Ca 413/14 -

a b g e ä n d e r t :

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsabrede vom 08.08./20.08.2013 mit Ablauf des 31.07.2014 geendet hat.

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Sozialpädagoge weiter zu beschäftigen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision für den Beklagten wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund vereinbarter Befristung am 31.07.2014 geendet hat. Der Kläger beansprucht außerdem, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Sozialpädagoge weiterbeschäftigt zu werden.

Der am ...1956 geborene Kläger wurde beim Beklagten als Sozialpädagoge am Beruflichen Schulzentrum ... auf der Grundlage einer Mehrzahl von befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt. Das Gehalt betrug zuletzt 2.013,00 € monatlich.

Mit dem Arbeitsvertrag vom 26.09./04.10.2006 (Bl. 5 d. A.) vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis vom 02.10.2006 bis 20.07.2007.

Mit weiterem Arbeitsvertrag vom 10./17.09.2007 vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis vom 10.09.2007 bis 11.07.2008.

Mit weiterem Arbeitsvertrag (Bl. 8 d. A.) vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis vom 11.08.2008 bis 31.07.2009.

Mit weiterem Arbeitsvertrag (Bl. 10 d. A.) vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis vom 10.08.2009 bis 25.06.2010.

Mit weiterem Arbeitsvertrag vom 03./05.08.2010 (Bl. 11 ff. d. A.) vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis vom 09.08.2010 bis 08.07.2011.

Mit dem Arbeitsvertrag vom 03./05.08.2011 (Bl. 13 f. d. A.) vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis ab 08.08.2011.

Mit Arbeitsvertrag vom 27.07.2012 (Bl. 15 f. d. A.) vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis ab 01.08.2012 "für das Schuljahr 2012/2013".

Mit Arbeitsvertrag vom 08.08./21.08.2013 vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis vom 21.08.2013 "für das Schuljahr 2013/2014".

Mit Schreiben vom 16.09.2013 (Bl. 20 d. A.) wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass beabsichtigt sei, die Stellen "der Sozialpädagogen BVJ" im Schuljahr 2014/15 öffentlich auszuschreiben.

Der Beklagte ist Träger der Berufsschulen. Der Beklagte hat bislang für Jugendliche, die ein Berufsausbildungsverhältnis nicht nachweisen, eine einjährige Vollzeitschule (Berufsvorbereitungsjahr) eingerichtet. Hierin werden die Jugendlichen durch Sozialpädagogen betreut.

Am Standort des Beruflichen Schulzentrums ... bietet der Beklagte seit dem Schuljahr 2008/09 ein "zweijähriges Berufsvorbereitungsjahr" mit der Bezeichnung "gestrecktes Berufsvorbereitungsjahr" an.

Der Freistaat Sachsen bewilligte auf der Grundlag...

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