Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Arbeitnehmers auf gesonderte Vergütung von Umkleidezeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Umkleiden für die Arbeit gehört zur Arbeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen der Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Dabei ergibt sich die Fremdnützigkeit des Umkleidens schon aus der Weisung des Arbeitgebers, die ein Anlegen der Kleidung zu Hause und ein Tragen auf dem Weg zur Arbeitsstätte ausschließt (BAG - 5 AZR 678/11 - 09.09.2012). In diesem Fall ist die für das Umkleiden vor und nach der Arbeit erforderliche Zeit gesondert zu vergüten.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Entscheidung vom 02.06.2016; Aktenzeichen 7 Ca 2512/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.03.2018; Aktenzeichen 5 AZR 3/17)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 02.06.2016 - 7 Ca 2512/15 - wird auf Kosten des Beklagten

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob sich die regelmäßige, vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit des Klägers auf 40 oder 48 Stunden beläuft sowie im Zusammenhang damit um Überstundenvergütung und die Zahlung einer Wechselschichtzulage.

Zudem ist streitig, ob die Umkleidezeiten des Klägers vergütungspflichtige Arbeitszeiten sind.

Der am ...1958 geborene Kläger ist seit dem 01.03.1982 bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger als Rettungsassistent beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet entsprechend des Arbeitsvertrages der ...-Tarifvertrag Ost (fortan: ...-TVO) Anwendung. Der Kläger wird nach der Tarifgruppe V c mit 10,85 € brutto pro Stunde vergütet. Es wird für den Kläger beim Beklagten ein Arbeitszeitkonto geführt, welches jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres auszugleichen ist. Der Beklagte, in dessen Betrieb ein Betriebsrat existiert, dessen Vorsitzender der Kläger ist, hat die Soll-Arbeitszeit des Klägers inklusive Arbeitsbereitschaft auf 48 Stunden/Woche festgelegt und teilt den Kläger in 12-Stunden-Schichten ein.

Der Beklagte stellt dem Kläger Dienstkleidung zur Verfügung, bestehend aus Hose mit umlaufendem Reflexstreifen, Hemd oder Shirt, Weste, Jacke mit Reflexstreifen (je nach Jahreszeit unterschiedliche Jacken) sowie knöchelhohe Sicherheitsschutze mit Stahlkappe.

Zur Bekleidung heißt es im Qualitätsmanagement-Handbuch des Beklagten - soweit hier von Bedeutung - unter Ziffer 3.3:

"Die Mitarbeiter sind verpflichtet, während ihrer Dienstzeit Arbeitskleidung zu tragen. Die Arbeitskleidung darf allerdings erst in der Wache angelegt werden. Die Arbeitskleidung dient gleichzeitig als Schutzkleidung. Grundlage für die Auswahl ist GUV R 2106.

Sie muss mit einem desinfizierenden Waschverfahren mit Mitteln aus der VAH-Liste in der Einrichtung oder in einer externen Wäscherei gewaschen werden.

...

Schmutzwäsche und saubere Wäsche werden strikt voneinander getrennt gelagert und transportiert. ....

Die Verbringung in die Wäscherei erfolgt ohne Umwege."

Mit der Klage begehrt der Kläger Überstundenvergütung für die über 40 Stunden pro Woche hinaus geleistete Arbeitszeit für die Jahre 2014 und 2015 sowie die Zahlung einer Wechselschichtzulage für 2015 und Vergütung für Umkleidezeiten sowie die Feststellung, dass die Anordnung der 48-Stunden-Woche unwirksam ist.

Unstreitig hat der Kläger im Jahre 2014 über die 40-Stunden-Woche hinaus weitere 577,8 Stunden sowie im Jahre 2015 weitere 522,2 Stunden geleistet. Für 2015 vergütete der Beklagte am Jahresende 120,6 Stunden, allerdings als Betriebsratstätigkeit ohne den Überstundenzuschlag, so dass der Kläger einschließlich 25 % Überstundenzuschlag die Vergütung von 401,6 Stunden und für die 120,6 Stunden noch den 25 %-igen Zuschlag begehrt.

Der Kläger hat erstinstanzlich bestritten, dass in seine Anwesenheitszeiten Arbeitsbereitschaft falle. Soweit diese tatsächlich aber anfalle, müsse sie zumindest mit dem Mindestlohn vergütet werden. Der Kläger hat vorgetragen, dass er neben den reinen Einsatzzeiten weitere Arbeiten zu erledigen habe, wie beispielsweise das Fahrzeug einschließlich Rettungsmittel überprüfen, was ungefähr 30 Minuten pro Schicht in Anspruch nehme. Darüber hinaus seien die Fahrzeugwäsche täglich und die Komplett-Desinfektion einmal wöchentlich durchzuführen. Zu den wöchentlichen Aufgaben gehöre zudem die Kontrolle des Blutzucker-Messgeräts und der Dokumentationsmappe sowie Arbeiten an den Außenanlagen der Wache. Bei Bedarf sei Schnee zu räumen, täglich müsse die Küche aufgeräumt und gereinigt werden und einmal wöchentlich müsse ein Komplettcheck des NEF durchgeführt werden. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass § 14 Abs. 2 a ...-TV-O gegen § 7 ArbZG verstoße. Da der ...-TV-O bereits vor langer Zeit gekündigt worden sei, gelte er längst nicht mehr und könne daher keine tarifvertragliche Regelung zur Abweichung vom Arbeitszeitgesetz darstellen. Im Übrigen habe der Tarifvertrag ohnehin keine normative Geltung beansprucht, da er nur individualvertraglich zwischen den Part...

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