Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Arbeitnehmers auf Gutschrift der Zeiten für die An- und Abreise zu Fortbildungsveranstaltungen auf dem Arbeitszeitkonto

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die Beschäftigten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK-T) steht einem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Gutschrift der An- und Abreisezeiten zu Fortbildungsveranstaltungen auf dem Arbeitszeitkonto zumindest dann zu, wenn die Fortbildungsveranstaltungen im Interesse des Arbeitgebers liegen.

2. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei Reisen im Zusammenhang mit Fortbildungsmaßnahmen nach der Überschrift des § 10 der Anl. 3 zu § 40 Abs. 1 MDK-T um "Reisen aus besonderem Anlass" handelt.

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Entscheidung vom 20.10.2016; Aktenzeichen 8 Ca 2075/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.11.2018; Aktenzeichen 6 AZR 294/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 20.10.2016 - 8 Ca 2075/16 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers (MA-Nr.: 530) unter der Spalte "Arb.zeit" (zweite Spalte von rechts) für den 14.04.2015 eine weitere vergütungspflichtige Arbeitszeit von 1,7 h, für den 24.11.2015 von 7,08 h, für den 25.11.2015 von 6,30 h, für den 04.01.2016 von 2,30 h, für den 05.01.2016 von 1,21 h, für den 02.02.2016 von 6,33 h sowie für den 03.02.2016 von 6,23 h gutzuschreiben.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 60 % und der Beklagte 40 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 77 % und der Beklagte 23 % zu tragen.

4. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen und für den Kläger nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob Zeiten für die An- und Abreise zu Fortbildungsveranstaltungen als Arbeitszeit dem Arbeitszeitkonto des Klägers gutzuschreiben sind.

Der Kläger ist beim Beklagten mit Arbeitsort ... als ärztlicher Gutachter beschäftigt.

Arbeitsaufgabe des Klägers ist die Erstellung von Gutachten für Krankenkassen auf der Grundlage von § 275 SGB V. Kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK-T) in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung. Dessen § 12 enthält unter der Überschrift "Arbeitszeit" u.a. folgende Bestimmungen:

(1) Die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt für Beschäftigte der VG 7 -16 ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden. (...) Die Arbeitszeit verteilt sich auf die Werktage von Montag bis Freitag.

(...)

(8) Bei Dienstreisen wird für jeden Werktag die Zeit der dienstlichen Inanspruchnahme, einschließlich An- und Abreise, bei mehrtägigen Dienstreisen mindestens jedoch die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit berücksichtigt. Bei Dienstreisen, deren Dauer einschließlich der Fahrzeiten we

(9) niger als die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit beträgt, gilt die tatsächliche Abwesenheit als Arbeitszeit. Erfolgt die An- oder Abreise aus dienstlichen Gründen an einem arbeitsfreien Tag, wird die Fahrzeit zur Hälfte als Arbeitszeit berücksichtigt. Reisezeiten werden bei der Erfassung in Bezug auf die Feststellung der Höchstarbeitszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz nicht berücksichtigt.

Des Weiteren ist in § 40 Abs. 1 MDK-T bestimmt, dass die Erstattung von Reisekosten in der Reisekostenregelung (Anlage 3) festgelegt ist. Die Anlage 3 zum MDK-T enthält ihrerseits u.a. folgende Regelungen:

§ 1

Geltungsbereich

(1) Diese Regelung gilt für die vom Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die Beschäftigten der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) erfassten Beschäftigten.

(2) In Dienst-/Betriebsvereinbarungen kann jeder Medizinische Dienst ergänzende Regelungen treffen, die diese Reisekostenregelung nicht verschlechtern.

§2 Begriffe

(1) Als Dienstreisen gelten Reisen zur vorübergehenden Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstortes des/der Beschäftigten, die schriftlich angeordnet oder genehmigt sind.

(2) (...)

(3) Dienstort ist der Landkreis bzw. die kreisfreie Stadt, in dem bzw. in der die Dienststelle ihren Sitz hat, welcher der/die Beschäftigte primär zugeordnet ist. (...)

§ 4

Reisekostenerstattung

(1) Der/die Beschäftigte hat Anspruch auf Erstattung der anlässlich der Dienstreise notwendigerweise entstandenen Kosten. Die Erstattung ist schriftlich unter Vorlage aller Belege zu beantragen.

(2) (...)

§ 10

Reisekosten bei Reisen aus besonderem Anlass

(1) Bei Reisen im Zusammenhang mit Fortbildungsmaßnahmen wird der Umfang der Erstattung notwendiger Kosten mit der Genehmigung festgesetzt. Für die Höhe der Kostenerstattung soll das Maß des dienstlichen Interesses zugrunde gelegt werden.

(2) Auszubildenden werden die Fahrtkosten für Fahrten mit öffentliche...

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