Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweckbefristung des Arbeitsverhältnisses bei Schließung eines Warenlagers. Unbegründete Feststellungsklage bei unerheblichen Einwendungen des Arbeitnehmers gegen die Wirksamkeit der vertraglichen Zweckbestimmung und zu Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des Betriebs
Leitsatz (redaktionell)
1. Die gegen eine Zweckbefristung gerichtete Klage kann als Befristungskontrollklage erst erhoben werden, wenn die Arbeitgeberin gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG den Arbeitnehmer schriftlich darüber unterrichtet, wann der Zweck der Befristung erreicht sein wird. Gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG endet ein zweckbefristeter Vertrag frühestens zwei Wochen nach Zugang dieser schriftlichen Unterrichtung, so dass vor einer solchen schriftlichen Unterrichtung nur Raum für eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist, da dem Kläger nicht unterstellt werden kann, dass er eine rechtlich nicht mögliche Klage erheben wollte.
2. Eine Zweckbefristung erfordert zum einen eine unmissverständliche Einigung darüber, dass das Arbeitsverhältnis bei Zweckerreichung enden soll, wobei die Einigung nach § 14 Abs. 4 TzBfG schriftlich vereinbart sein muss. Zum anderen muss der Zweck, mit dessen Erreichung das Arbeitsverhältnis enden soll, so genau bezeichnet sein, dass das Ereignis, dessen Eintritt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll, zweifelsfrei feststellbar ist.
2. Haben die Parteien als zu erreichenden Zweck die “Schließung Standort ..-Lager ..„ vereinbart ohne weitergehend anzugeben, wann genau sie von einer Schließung des Lagers ausgehen, kann sich dies aus der Funktion eines Warenlagers selbst ergeben: Ein Warenlager dient der Anlieferung, der Lagerung und schließlich der Auslieferung von Warenbeständen. Mit dem dauerhaften Beenden dieser Teilfunktionen ist von einer Schließung des Lagers auszugehen, so dass bei fehlendem Warenbestand und ausbleibender Zuführung von Waren auch die Grundlage für die vereinbarte Tätigkeit eines als Vorlader beschäftigten Arbeitnehmers entfällt, die einen Bestand an Ware grundsätzlich voraussetzt.
3. Eine auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gestützte Zweckbefristung erfordert eine hinreichende Prognosedichte dahingehend, dass der in den Arbeitsvertrag aufgenommene Vertragszweck nicht nur möglicherweise oder wahrscheinlich erreicht wird sondern dass im Rahmen des Vorhersehbaren sicher angenommen werden kann, dass er eintreten wird. Die Prognose muss sich auf einen arbeitsorganisatorischen Ablauf richten, der hinreichend bestimmt ist und an dessen Ende der Wegfall des Bedarfs für die Tätigkeit des Arbeitnehmers steht.
4. Mit der prognostizierten Schließung des Zentrallagers entfallen Beschäftigungsmöglichkeiten auch für einen als Vorlader beschäftigten Arbeitnehmer. Abzustellen ist dabei auf den Bedarf innerhalb des Betriebs, da es nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG nicht der Prüfung bedarf, ob sich mit Erreichen der Befristung oder des vereinbarten Zwecks außerhalb des Betriebs Beschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer ergeben.
5. Bei der Zweckbefristung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ist maßgebend der nur vorübergehende Bedarf an der Arbeitsleistung im Betrieb. Selbst wenn mit einer arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel eine Versetzung des Arbeitnehmers außerhalb des Betriebs ermöglicht werden sollte, berührt dies nicht den auf den betrieblichen Bedarf abstellenden Sachgrund, da die Versetzungsklausel die Arbeitgeberin zu Versetzungen während des Arbeitsverhältnisses berechtigt, ohne allerdings die Betriebsbezogenheit des Bedarfs, der auch mit dem vereinbarten Zweck Rechnung getragen worden ist, abzuändern.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 4, § 15 Abs. 2; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Entscheidung vom 06.06.2014; Aktenzeichen 10 Ca 481/14) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 06.06.2014 - 10 Ca 481/14 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer vereinbarten Zweckbefristung enden wird.
Der Kläger ist bei der Beklagten, die in ... ein Zentrallager betreibt und dort ca. 300 Arbeitnehmer beschäftigt, seit 01.06.2010 auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverträge als sog. Vorlader beschäftigt. Der Kläger verdiente zuletzt durch schnittlich 2.000,00 € brutto monatlich. Die Parteien vereinbarten folgende Arbeitsverträge:
- Arbeitsvertrag v. 28.05.2010 (Bl. 7 f. d. A.): 01.06.2010 bis 30.11.2010;
- Änderungsvertrag v. 01.11.2010 (Bl. 9 d. A.): 01.11.2010 bis 30.11.2010;
- Vereinbarung v. 10.11.2010 (Bl. 10 d. A.): 01.12.2010 bis 31.05.2011;
- Vereinbarung v. 30.05.2011 (Bl. 11 d. A.): 01.06.2011 bis 31.01.2012;
- Vereinbarung v. 13.01.2012 (Bl. 12 d. A.): 01.02.2012 bis 31.05.2012;
- Arbeitsvertrag v. 23....