Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Urteil vom 08.08.1995; Aktenzeichen 5 Ca 1365/95) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des ArbG Leipzig vom 08.08.1995 – 5 Ca 1365/95 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger Entgeltzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum vom 14.11.1994 bis zum 25.12.1994 in Höhe von 3.360,00 DM zu leisten.
Der Kläger war ab 27.07.1994 bei der Beklagten als Elektromonteur und Helfer zu einem Stundenlohn von 14,00 DM beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 25.07.1994 enthält unter II. Ziff. 11 folgenden Passus:
„…
Wird der Sozialversicherungsausweis nicht sofort oder erst nach Ende der Krankheit vorgelegt, so entfällt der Lohnfortzahlungsanspruch.
…”
Des weiteren wurde der Kläger in einem von ihre gegengezeichneten Rundschreiben der Beklagten darauf hingewiesen, daß er verpflichtet sei, den Sozialversicherungsausweis am ersten Tag bei Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit bei seinem Arbeitgeber zu hinterlegen.
Von Montag, den 14.11.1994 bis Sonntag, den 25.12.1994, war der Kläger arbeitsunfähig krank. Die erste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) händigte der Kläger am 14.11.1994 dem Niederlassungsleiter aus. Die folgenden Bescheinigungen schickte er mit der Post.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe am 14.11.1994 dem Niederlassungsleiter. Herrn … das Original des Sozialversicherungsausweises übergeben. Mit Schreiben vom 04.01.1995 habe er dann der Beklagten eine Kopie des Ausweises zugeschickt. Ein Aufforderungsschreiben vom 15.11.1994 habe er nie erhalten. Daher stehe ihm der Entgeltzahlungsanspruch zu, die Beklagte könne sich nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 100 Abs. 2 SGB IV berufen.
Mit der am 13.02.1995 zum Arbeitsgericht Leipzig erhobenen Klage hat der Kläger beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.456,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 21.12.1994 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.904,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 21.01.1995 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Kläger habe, obwohl vertraglich dazu verpflichtet, weder das Original des Sozialversicherungsausweises übergeben noch eine Kopie desselben übersandt. Deshalb habe sie den Kläger mit Schreiben vom 15.11.1994 – allerdings ohne Erfolg – nochmals zur Hinterlegung des Ausweises aufgefordert.
Nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 100 Abs. 2 Satz 2 SGB IV sei sie berechtigt, die Entgeltfortzahlung endgültig zu verweigern.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … und im Ergebnis die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 111 bis 115 d. A.) verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 22.08.1995 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 08.08.1995 hat diese am 21.09.1995 Berufung eingelegt und am 20.11.1995 – nach gewährter Fristverlängerung – wie folgt begründet:
Das Arbeitsgericht sei unzutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht nicht mehr zustehe, sobald der Kläger seiner Obliegenheit nach § 100 Abs. 2 Satz 1 SGB IV nachkomme. Der Fall sei auch nicht mit dem vom BAG entschiedenen vergleichbar. Der Kläger habe nämlich den Ausweis erst nach Abschluß des erstinstanzlichen Verfahrens, und zwar am 30.08.1995, der Beklagten zugeleitet. Zu diesem Zeitpunkt sei er jedoch schon über sieben Monate nicht mehr bei ihr beschäftigt gewesen, so daß eine auch nachgeholte körperliche Hinterlegung des Ausweises schon denknotwendig ausscheide. Die Hinterlegung des Sozialversicherungsausweises beim Arbeitgeber könne nur dann nachhaltig einen etwaigen Leistungsmißbrauch verhindern, soweit die Abgabe des Ausweises tatsächlich zeitgerecht erfolge.
Darüber hinaus hätten die Parteien im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart, daß der Lohnfortzahlungsanspruch entfalle, wenn der Sozialversicherungsausweis nicht sofort oder erst nach Ende der Krankheit hinterlegt werde. § 102 SGB IV enthalte eine dispositive Regelung, die es den Arbeitsvertragsparteien erlaube, über das Zurückbehaltungsrecht hinaus weitergehende Sanktionsmöglichkeiten zu vereinbaren.
Die Beklagte beantragt.
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig vom 08.08.1995, Az.: 5 Ca 1365/95, die Klage abzuweisen.
Der Kläger stellt den Antrag:
- Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Leipzig, Az.: 5 Ca 1365/95, vom 08.08.1995, zugestellt am 22.08.1995, wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Kläger hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts verteidigt und zur Ergänzung vorgetragen, er habe mit Schreiben vom 30.08.1995 erneut seinen Sozialversich...