Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestandsstreitigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Vertragsverhältnis dauerhaft auf eine unentgeltliche ehrenamtliche Tätigkeit gerichtet, so liegt regelmäßig kein Arbeitsverhältnis vor.
Orientierungssatz
Arbeitnehmerstatus einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin in der Telefonseelsorge; Arbeitnehmer, Arbeitsverhältnis, ehrenamtliche Tätigkeit ehrenamtlicher Mitarbeiter
Normenkette
BGB §§ 611, 662
Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Urteil vom 18.06.2010; Aktenzeichen 5 Ca 429/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 18.06.2010 – 5 Ca 429/10 – wird auf Kosten der Klägerin
2. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen der Frage der Wirksamkeit einer Kündigung darüber, ob die Klägerin als Arbeitnehmerin beim Beklagten beschäftigt war.
Der Beklagte ist im Bereich … und Umland Träger der Telefonseelsorge. Die Telefonseelsorge wird in Deutschland von der evangelischen und katholischen Kirche unterhalten. Die Evangelisch-Katholische Kommission für die Telefonseelsorge und die offene Tür ist Inhaberin des Markennamens „Telefonseelsorge” und vergibt die beiden deutschlandweit einheitlichen Rufnummern. Die Gebühren für die unter den beiden Sonderrufnummern geführten Gespräche trägt die … AG als Partnerin der Telefonseelsorge. Die Trägerschaft der Telefonseelsorge ist unterschiedlich aufgebaut. Sie reicht von einem Kirchenkreis, einem Dekanat, einem Bistum oder einer Landeskirche bis hin zum gemeinnützigen Verein. Die kirchlichen Träger unterhalten insgesamt 105 selbständige Telefonseelsorgestellen, in denen ca. 7500 ehrenamtliche und 350 hauptamtliche Mitarbeiter tätig sind. Für die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Mitarbeiters in der Telefonseelsorge bedarf es einer Ausbildung gemäß der Rahmenordnung für die Aus- und Fortbildung ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Telefonseelsorge und offenen Tür.
Der Beklagte beschäftigte im Jahr 2009 53 ehrenamtliche Mitarbeiter in der Telefonseelsorge. Leiter der Telefonseelsorge war der hauptamtlich beschäftigte Mitarbeiter Herr … Neben einer Vielzahl von anderen Aufgaben (vgl. die Aufstellung auf Seite 11 der Berufungserwiderung vom 04.01.2011; Bl. 247 d. A.) verrichtete Herr … bei kurzfristigen Ausfällen oder schwer zu besetzenden Dienstzeiten auch den Dienst am Telefon. Für die Ausübung der Telefonseelsorge unterhält der Beklagte eine Drei-Zimmer-Wohnung in …, deren Anschrift von den Mitarbeitern geheim zu halten ist. In dieser Wohnung befinden sich ein Dienstraum mit der technischen Ausstattung zur Entgegennahme der Telefongespräche, ein Büroraum für die hauptamtlichen Mitarbeiter und ein Gruppenraum für die Supervisionsgruppen. Die Mitarbeiter des Beklagten sind verpflichtet, die Telefonseelsorge in diesen Räumlichkeiten auszuüben. Die Möglichkeit einer Rufumleitung auf einen privaten Telefonanschluss besteht nicht. Um eine ständige Erreichbarkeit der Ratsuchenden zu gewährleisten, unterstützen sich die regionalen Träger der Telefonseelsorge in Sachsen gegenseitig. Die beim Beklagten auflaufenden Telefonate werden automatisch an einen anderen Träger (Westsachsen … oder Vogtland …) weitergeleitet, wenn über den Anschluss des Beklagten ein Gespräch geführt wird oder das Telefon nicht mit Personal besetzt ist.
Für die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Beklagten gilt eine Dienstordnung (Anlage B 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 26.04.2010; Bl. 22 ff. d. A.). Darin ist u. a. Folgendes bestimmt:
3. Dienstumfang
Ziel für jede TS ist die Absicherung eines 24-Stunden-Dienstes. Dies ist kurzfristig in … noch nicht erreichbar. Aber gemeinsam und abgestimmt mit anderen sächsischen TS-Stellen ist eine ununterbrochene Erreichbarkeit der TS gewährleistet. Um diese Erreichbarkeit abzusichern und auszubauen, ist von jedem Ehrenamtlichen eine Dienstbereitschaft von monatlich ca. 10 Stunden erforderlich, das entspricht zwei bis drei Abenddiensten oder einem Nachtdienst. Eine regelmäßige Beteiligung der MitarbeiterInnen in diesem Umfang wird erwartet. Eine zeitweise Entlastung vom normalen Dienst ist in Absprache mit dem TS-Leiter möglich.
Zum Dienstumfang zählt weiterhin die Teilnahme an der monatlichen Fallbesprechung in einer Kleingruppe.
4. Verhinderung und Vertretung im TS-Dienst
4.1. Können MitarbeiterInnen aus zwingenden Gründen einen geplanten Dienst nicht wahrnehmen, sind sie verpflichtet, selbst eine Vertretung zu organisieren. Ist ihnen das nicht möglich, so sind die hauptamtlichen TS-Mitarbeiter zu informieren und um Unterstützung zu bitten. (…)
5. Umgang mit ankommenden Anrufen
5.1. Anrufe sind spätestens nach dem 3. Rufzeichen entgegen zu nehmen, um eventuelle Rufweiterleitungen zu vermeiden.
5.2. Alle ankommenden Anrufe sind statistisch zu erfassen (Dienstbuch, Statistikblatt, evtl. später PC). Für Aufleger und kurze Scherzanrufe ist kein Statistikblatt auszufüllen, sie sind – wie auc...