Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatzklage eines zurückgewiesenen Bewerbers auf die kommunale Stelle eines Sachgebietsleiters in der Bauverwaltung. Unbegründete Zahlungsklage bei unzureichenden Darlegungen zur Verminderung des Auswahlermessens auf Null und fehlender Inanspruchnahme von Rechtsmitteln zur Durchsetzung einer ermessensfehlerfreien Auswahlentscheidung
Leitsatz (redaktionell)
1. Vergibt eine Gemeinde, die bei ihrer Auswahlentscheidung an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten, kann sie einem anderen Stellenbewerber gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sein. Für nicht beamtete Bewerber kommen als Anspruchsgrundlagen § 280 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG als Schutzgesetz in Betracht.
2. Der Schadenersatzanspruch entsteht als nachrangiger Anspruch erst dann, wenn der Bewerbungsverfahrensanspruch durch eine rechtsbeständige Ernennung oder durch einen gerechtfertigten Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens erloschen ist und der Bewerber damit nicht mehr verlangen kann, auf die ausgeschriebene Stelle gesetzt zu werden.
3. Einem zurückgewiesenen Bewerber stehen Schadensersatzansprüche nur dann zu, wenn ihm anstelle des Konkurrenten das Amt hätte übertragen werden müssen. Dazu muss festgestellt werden, dass ein hypothetischer Kausalverlauf bei rechtmäßigem Vorgehen der Arbeitgeberin zu einer Entscheidung geführt hätte, die für die Schadensersatz begehrende Partei günstiger gewesen wäre.
4. Das Verhalten der Arbeitgeberin im Bewerbungsverfahren ist für den Schaden eines zurückgewiesenen Bewerbers nur ursächlich, wenn sich jede andere Besetzungsentscheidung der Arbeitgeberin als rechtsfehlerhaft erwiesen hätte. Das erfordert eine Verminderung des der Arbeitgeberin zustehenden Auswahlermessens auf Null.
5. Eine Verminderung des der Arbeitgeberin zustehenden Auswahlermessens auf Null ist nur anzunehmen, wenn der zurückgewiesene Bewerber nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien der bestqualifizierte Bewerber ist. Erst wenn der zurückgewiesene Stellenbewerber Partei seiner diesbezüglichen Darlegungslast genügt, obliegt es der Arbeitgeberin, dem Vortrag substantiiert entgegenzutreten, wobei dies unabhängig davon gilt, ob der Bewerber seinen Anspruch auf § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG stützt.
6. Hat ein Bewerber auf ein öffentliches Amt wirksame rechtliche Mittel zur Durchsetzung seines Anspruchs auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung, ist ihm grundsätzlich die vorrangige Inanspruchnahme der rechtlichen Möglichkeiten zur Abwendung seiner übergangenen Bewerbung zuzumuten. Sieht er hiervon ohne hinreichenden Grund ab, ist er von anschließenden Schadensersatzansprüchen in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 839 Abs. 3 BGB sowie unter Berücksichtigung der sich aus § 254 Abs. 2 BGB ergebenden allgemeinen Schadensabwendungspflicht ausgeschlossen.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2; BGB § 254 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 839 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Zwickau (Entscheidung vom 19.07.2016; Aktenzeichen 3 Ca 261/16) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 19.07.2016 - 3 Ca 261/16 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadenersatzansprüche des Klägers in der Folge einer erfolglosen Bewerbung.
Die beklagte Gemeinde schrieb unter dem 18.08.2014 eine auf die Zeit vom 01.01.2015 bis 31.12.2018 befristete Stelle als "Sachgebietsleiter/in Bauverwaltung (m/w)" mit 39 Wochenstunden und einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 10 TVöD unter der Nummer 01/2014 aus (vgl. Anlage K 1 zur Klageschrift vom 23.02.2016; Bl. 13 d. A.). Als Anforderungen waren darin u. a. genannt:
- abgeschlossenes Ingenieurstudium oder Qualifikation als Verwaltungswirt/in (FH) oder vergleichbare Ausbildung
- einschlägige Berufserfahrung einschließlich umfassender Kenntnisse im Bereich des öffentlichen Baurechts/der kommunalen Bauverwaltung
Nach einer Vorauswahl und Vorstellungsgesprächen erhielten vier Bewerber/innen, u. a. der Kläger, der sämtliche Anforderungen der Ausschreibung erfüllte, am 24.11.2014 die Möglichkeit, sich dem aus 16 Mitgliedern bestehenden Gemeinderat der Beklagten vorzustellen. In der folgenden Abstimmung entfielen auf die Bewerberin Frau ... neun, auf den Kläger sieben und auf die beiden übrigen Bewerber keine Stimmen. Der Bürgermeister der Beklagten erklärte sodann sein Einvernehmen zu der Entscheidung des Gemeinderates und informierte die Bewerber am Folgetag über das Ergebnis der Gemeinderatssitzung. In der Folgezeit erklärte der Kläger gegenüber der Vorsitzenden des Personalrats der Beklagten, dass er die Auswahlentscheidung nicht akzeptiere, und bat um deren Hilfe. Am 28.11.2014 entschied der Bürgermeister zusammen mit der für das Stellenbesetzungsverfahren zu...