Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Urteil vom 09.12.1992; Aktenzeichen 3 Sa 65/93 L) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 09.12.1992 – 18 Ca 6957/92 – abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision.
4. Die Revision wird erneut zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit der Abberufung des Klägers und der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien mit Schreiben des Sächsischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst vom 04.09.1992.
Der 1943 geborene Kläger, verheiratet, drei unterhaltspflichtige Kinder, ist habilitierter Diplom-Afrikanist und Diplom-Soziologe. Er steht seit 08.09.1971 in einem Arbeitsverhältnis zur Universität L., zunächst als wissenschaftlicher Assistent, später als Oberassistent, seit 1987 als Dozent. Von 1986 bis 1990 übte der Kläger darüber hinaus die Funktion des „Direktors für internationale Beziehungen” (im folgenden: DIB) an dieser Universität aus. Der Kläger hatte verschiedene ehrenamtliche Funktionen an der (K. -M.) Universität L. inne, nämlich:
von 1966 bis 1969 |
FDJ-Grundorganisations(GO)sekretär, |
von 1964 bis 1965 und von 1975 bis 1978 |
Parteigruppenorganisator (PGO), |
von 1966 bis 1969, 1972 bis 1975, 1978 bis 1980 und 1978 bis 1980 und von 1982 bis 1983 |
Mitglied der GO-Leitung der SED. |
1978 besuchte der Kläger die Kreisparteischule. 1986 die Bezirksparteischule der SED.
Mit Schreiben vom 12.08.1992 (Bl. 25/26 d.A.) informierte der Staatssekretär beim Wissenschaftsministerium den Vorsitzenden des Hauptpersonalrats an diesem Ministerium über die Absicht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zu kündigen und den Kläger von seinem Amt als Dozent abzuberufen, da der Kläger durch seine Funktionen und Verhaltensweisen, u. a. seine Berichtstätigkeit über dienstliche Aktivitäten der internationalen Arbeit in den Wissenschaftsbereichen, das politische System der DDR entscheidend mitgetragen und gegen Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen habe; der Kläger sei deshalb für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst nicht geeignet.
Der Hauptpersonalrat erhob hiergegen keine Einwände (siehe dessen Schreiben vom 01.09.1992, Bl. 27 d.A.).
Hierauf kündigte der Sächsische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst unter Berufung auf die Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Ziff. 1 Abs. 4 Nr. des Einigungsvertrages (im folgenden: Abs. 4 EV) das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.12.1992 und berief den Kläger gleichzeitig von seinem Amt als Dozent ab.
Gegen diese Kündigung und Abberufung richtet sich die am 25.09.1992 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage des Klägers, der beide Maßnahmen für unwirksam hält. Er sei lediglich mit der Abwicklung technischer Fragen, wie die Bereitstellung von Valuta, die Unterbringung im Ausland, Reisezeiten usw. betraut worden, jedoch für Reiseanträge nicht zuständig gewesen. In seiner Eigenschaft als DIB sei er verpflichtet gewesen, dem MfS in dienstlichen Angelegenheiten zu berichten. Er sei jedoch maßgeblich auch dafür verantwortlich gewesen, daß mit Universitäten der Bundesrepublik (S. und M.) Kontakte aufgenommen worden seien. Im übrigen sei die Arbeit als DIB auf 5 Jahre befristet gewesen; er habe sich nicht um diese Stelle bemüht. Zu seinen wesentlichen Aufgaben als DIB hätten gehört:
- Vertragsgestaltung zwischen der damaligen KMU und ausländischen Einrichtungen,
- organisatorische und technische Vorbereitung von Auslandsreisen,
- Planung der Mittel im Zusammenhang mit der Vertragserfüllung der bestehenden Verträge (z. B. bei Wissenschaftleraustausch).
Bei diesen Aufgaben habe er mit dem Direktor für Kader und Qualifizierung bei der Schaffung einer Auslandskaderreserve zur Erfüllung der abgeschlossenen Verträge mit ausländischen Einrichtungen zusammenzuarbeiten und den personellen Bedarf zu ermitteln gehabt. Ein Kontroll- und Weisungsrecht gegenüber den Sektionen habe er nicht ausgeübt. Die formal dem DIB angegliederte Abteilung „Auslandsstudium” habe einen eigenen Lehrer gehabt; dieser und nicht der DIB hätte die Exmatrikulation von ausländischen Studenten vorgenommen. Bei Westreiseanträgen habe der erste Prorektor eine Grundentscheidung getroffen, bevor die Angelegenheit dem Kaderdirektor vorgelegt worden sei. Reiseanträge habe er nicht zögerlich behandelt, was insbesondere auch für diejenigen der Oberassistentin Frau Dr. T. gelte. Deren Antrag auf eine Reise nach Oslo sei konstruktiv und unbürokratisch bearbeitet worden, wofür Frau Dr. T. sich bei dem zuständigen Mitarbeiter herzlich bedankt habe. Für ihren Reiseantrag nach Marburg habe die Bearbeitungsfrist nicht gereicht, denn 1989 habe es eine Flut von Anträgen gegeben; in diesem Jahr seien allein 625 Dienstreisen in die Bundesrepublik gewährleistet worden. Ein Antrag der Sektion, der Reise von Frau Dr. T. Priorität einzuräumen, habe nicht...