Entscheidungsstichwort (Thema)

Ortszuschlag. BAT. Verweisung auf den TVöD. Auslegung arbeitsvertraglicher Inbezugnahme

 

Leitsatz (redaktionell)

Fehlt im Arbeitsvertrag, den der Arbeitgeber als Mitglied einer tarifvertragschließenden Partei abschließt und der als solcher Arbeitsverhältnisse grundsätzlich den Tarifbedingungen und damit auch den dort geregelten Lohnbedingungen unterstellt, eine ausdrückliche Lohnregelung, spricht dies und die praktische Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine Bezugnahmeklausel, die die gekündigten, aber nachwirkenden Tarifbestimmungen auch in Bezug auf die Vergütung sowie ihre Bestandteile umfasst.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1; TVK a.F. §§ 21, 24; BAT § 29 B. Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Chemnitz (Urteil vom 06.03.2009; Aktenzeichen 3 Ca 954/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.01.2013; Aktenzeichen 4 AZR 306/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 06.03.2009 – 3 Ca 954/08 – wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

  1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 06.03.2009 wird unter Ziff. 1, unter Berücksichtigung der Klageerweiterung vom 14.04.2010, klarstellend wie folgt gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 4.746,72 brutto Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu zahlen:

    • aus EUR 2.867,81 brutto seit 11.04.2008 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 98,89 brutto seit 01.05.2008 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 98,89 brutto seit 01.06.2008 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 98,89 brutto seit 01.07.2008 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 98,89 brutto seit 01.08.2008 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 98,89 brutto seit 01.09.2008 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 98,89 brutto seit 01.10.2008 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 98,89 brutto seit 01.11.2008 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 98,89 brutto seit 01.12.2008 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 98,89 brutto seit 01.01.2009 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 98,89 brutto seit 01.02.2009 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 98,89 brutto seit 01.03.2009 bis 31.01.2010;
    • aus EUR 400,00 netto seit 01.06.2010;
    • aus EUR 400,00 netto seit 01.07.2010;
    • aus EUR 400,00 netto seit 01.08.2010;
    • aus EUR 400,00 netto seit 01.09.2010;
    • aus EUR 400,00 netto seit 01.10.2010;
    • aus EUR 280,76 netto seit 01.11.2010.
  2. Ziff. 2 des Urteils des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 06.03.2009 ist gegenstandslos.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Die erstinstanzlichen Kosten sind von der Beklagten zu 49/50 und von der Klägerin zu 1/50 zu tragen.

3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit von Oktober 2005 bis September 2009 Ortszuschlag nach dem Bundesangestelltentarifvertrag in Höhe von je EUR 98,89 brutto beanspruchen kann.

Der am …1970 geborene Kläger ist seit 01.11.2005 bei der Beklagten, die ein Kulturorchester betreibt, als Solo-Kontrabassist im Orchester beschäftigt. Die einzelnen Arbeitsbedingungen vereinbarten die Parteien mit dem Arbeitsvertrag vom 15.09.2005 (Bl. 8 d. A.). Unter § 3 trafen die Parteien folgende Regelung:

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 01. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden und/oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen.”

Der Kläger ist seit 21.10.2005 standesamtlich verheiratet (Bl. 9. d. A.). Die Ehefrau des Klägers übt keine Erwerbstätigkeit aus.

Die Parteien sind kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit tarifgebunden.

Der … (…) kündigte mit Schreiben vom 22.06.2005 (Bl. 189 d. A.) u. a. die §§ 21 und 23 TVK mit Wirkung zum 30.09.2005. Der TVK wurde im Übrigen zum 31.12.2009 gekündigt. Die Tarifvertragsparteien vereinbarten sodann mit Wirkung zum 01.10.2010 den Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern vom 31.10.2009. Die Tarifvertragsparteien vereinbarten außerdem den Einmalzahlungstarifvertrag vom 31. Oktober 2009 für Musiker in Kulturorchestern (Bl. 261 ff. d. A.).

Für November und Dezember 2005 rechnete die Beklagte den sog. erweiterten Ortszuschlag in Höhe von jeweils EUR 563,56 brutto (Bl. 319, 339 d. A.) ab. Im Juni 2006 erteilte die Beklagte für November und Dezember 2005 (Bl. 455 f. d. A.) korrigierte Verdienstabrechnungen. Die Beklagte brachte jeweils einen Betrag von EUR 98,88 brutto, dem Differenzbetrag für den erweiterten Ortszuschlag, in Abzug. Ab Januar 2006 bezahlte die Beklagte den erweiterten Ortszuschlag nicht mehr.

Mit der Entgeltabrechnung für Februar 2010 (Bl. 291 d. A.) rechnete die Beklagte u. a. mit dem Vermerk „Einmalz. TVK Ortsz. § 5” einen Betrag in Höhe von EUR 4.845,12 brutto ab und zahlte den Betrag netto zusammen mit weiteren abgerechneten Vergütungen aus.

Mit Schreiben vom 21.04.2010 (Bl. 292 f. d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Zahlung des Einmalbetrages von EUR 4.845,12 brutto versehentlich erfolgt sei. Die Beklagte forderte den Kläger gleichzeitig auf, den Betrag bis 30.04.2010 zurückzuzahlen.

Mit der Entgeltabrechnung für Mai 2010 (Bl. 351 d. A.) zog die Beklagte nach Maßgabe des Schreibens vom 21.04.2...

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