Verfahrensgang

ArbG Bautzen (Urteil vom 02.12.1993; Aktenzeichen 10 Ca 10327/93 NY)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 2. Dezember 1993 – 10 Ca 10327/93 NY – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 8.776,40 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 9. Juli 1993 zu bezahlen.

Die Berufung der Beklagten gegen das vorgenannte Urteil wird

zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Abfindung.

Der Kläger war zuletzt bei der beklagten Bundesrepublik Deutschland als Arbeiter in dem Bundeswehrstandort … … beschäftigt. Mit Blick auf die ersatzlose Auflösung jener Beschäftigungsstelle hoben die Parteien das Arbeitsverhältnis mit Vertrag vom 10. Juni 1992 unter Angabe des Beschäftigungsbeginns mit 16. Mai 1960 zum 30. Juni 1992 auf.

Mit Blick auf die Mitgliedschaft des Klägers in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem MTArb-O und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen. Die Beklagte ist Partei der einschlägigen Tarifverträge.

Der letzten Lohnabrechnung des Klägers lag ein Bruttomonatslohn in Höhe von 1.755,28 DM zugrunde. Mit Schreiben vom 26. Februar 1993 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde mit Wirkung vom 1. Dezember 1991 bis zu seinem Ausscheiden von der Lohngruppe 2 a in die Lohngruppe 3 a MTArb-O höhergereiht. Danach ergibt sich für den Kläger für den Ausscheidensmonat Juni 1992 in der anwendbaren Lohnstufe 8 ein Monatstabellenlohn in Höhe von 2.137,82 DM brutto.

Am 16. Juni 1992 einigten sich die Tarif Parteien, unter ihnen die Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie die Beklagte, unter anderem für die unter den MTArb-O fallenden Arbeitnehmer auf einen „Tarifvertrag zur sozialen Absicherung” (fortan: Sozial-TV). Dieser sieht die Zahlung von Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes im Rahmen von Umstrukturierungen vor. Die Abstimmung des Tarifvertragstextes erfolgte in Redaktionsverhandlungen am 6. Juli 1992. Am 16. Juni 1992 war der Sozial-TV noch nicht unterzeichnet worden. Zwischen den Parteien war bis zu der Berufungsverhandlung strittig, ob die Unterzeichnung am 6. Juli 1992 erfolgt ist. Die Beklagte hat in der Verhandlung erklärt, der Tarifvertrag sei zum 6. Juli 1992 unterzeichnet worden.

Der Sozial-TV hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

㤠2. Abfindung.

(1)

Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt

wird, weil

  1. er wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist oder
  2. die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst wird oder bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaus der Beschäftigungsstelle die bisherige oder eine anderweitige Verwendung nicht mehr möglich ist,

erhält eine Abfindung. Das Gleiche gilt, wenn ein Arbeitnehmer bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kündigung nach Satz 1 aufgrund eines Auflösungsvertrages ausscheidet.

(2)

Die Abfindung beträgt für jedes volle Jahr der Beschäftigungszeit … ein Viertel der letzten Monatsvergütung (§ 26 BAT-O zuzüglich der allgemeinen Zulage) bzw. des letzten Monatstabellenlohnes (§ 21 Abs. 3 MTArb-O, § 20 Abs. 2 BMT-G-O ggf. zuzüglich des Sozialzuschlags), mindestens aber die Hälfte und höchstens das Fünffache dieser Vergütung bzw.

dieses Lohnes. Sie darf den Betrag von 10.000 DM nicht übersteigen. …

(3)

Der Anspruch auf Abfindung entsteht am Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hat der Arbeitgeber gekündigt, wird die Abfindung fällig, sobald endgültig feststeht, daß das Arbeitsverhältnis beendet ist (z. B. bei Verzicht auf Klage gegen die Kündigung oder bei Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung).

§ 3. Inkrafttreten.

Dieser Tarifvertrag tritt mit Wirkung vom 15. Juni 1992 in Kraft.”

Mit einem bei der Beklagten am 21. Mai 1993 eingegangenen Schreiben machte der Kläger einen Abfindungsanspruch geltend. Die Beklagte lehnte den Anspruch ab. Dieser sei nach § 72 MTArb-O verfristet. § 72 MTArb-O bestimmt:

„Ausschlußfrist

Ansprüche aus Arbeitsverträgen, die sich nach dem Tarifvertrag und den dazu vereinbarten Ergänzungsabkommen bestimmen, müssen innerhalb einer Ausschlußfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden, soweit der Tarifvertrag nichts anderes bestimmt.”

§ 72 MTArb-O wird modifiziert durch Absatz 2 der Übergangsvorschrift zu § 1 (Lohngruppenverzeichnis) des Tarifvertrags über das Lohngruppenverzeichnis zum MTArb-O für Arbeiter des Bundes (fortan: TV-Lohngruppen-O-Bund) vom 8. Mai 1991 i. d. F. des § 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 3 vom 4. November 1992 zum MTArb-O. Dort heißt es:

„Die Ausschlußfrist des § 72 MTArb-O beginnt für Ansprüche, die sich aus der Einreihung vom 1. Juli 1991 an ergeben, am 1. Januar 1993”.

Der Streit der Parteien geht zum einen darum, ob ein Abfindungsanspruch des Klägers nach § 2 Abs. 2 Sozial-TV aus dem vor der Höherreihung für Juni 1992 abgerechneten Betrag (1.755,28 DM) oder aus dem aufgrund der rückwirkenden Hö...

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