Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung einer Treueprämie und einer Schichtzulage auf den tariflichen Mindestlohnanspruch
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Treueprämie, die abweichend vom Wortlaut des Tarifvertrages unabhängig vom Vorliegen von Zeiten unentschuldigten Fehlens für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde gezahlt wird, ist auf den tariflichen Mindestlohn des geltenden Haustarifvertrages anzurechnen.
2. Auch eine Schichtzulage, die als Zuschlag je geleistete Arbeitsstunde gezahlt wird, ist eine dem tariflichen Mindestlohn funktional gleichwertige Leistung und mithin auf diesen anrechenbar.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Entscheidung vom 27.11.2015; Aktenzeichen 12 Ca 1578/15) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Anerkenntnisteil- und Schlussurteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 27.11.2015 - 12 Ca 1578/15 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 25,20 € brutto Restvergütung für August 2014 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.09.2014 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 22,20 € brutto Restvergütung für September 2014 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2014 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 24,00 € brutto Restvergütung für Oktober 2014 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.11.2014 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 25,90 € brutto Restvergütung für November 2014 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2014 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 62,22 € brutto Restvergütung für Dezember 2014 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.01.2015 zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 69 % und die Beklagte 31 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 76 % und die Beklagte 24 % zu tragen.
3. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Zusammenhang mit der Frage, ob der Kläger für die Zeit vom 01.08. bis 31.12.2014 weitere Vergütung beanspruchen kann, insbesondere darüber, ob die Beklagte neben dem Grundlohn gezahlte Leistungen auf einen tariflichen Mindestlohn anrechnen darf.
Die Beklagte betreibt einen Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb für Geflügel. Die in ihrem Produktionsbereich beschäftigten Arbeitnehmer arbeiten regelmäßig in zwei Schichten (Früh- und Spätschicht). Der Kläger war bei ihr seit dem 01.08.1991 auf der Basis einer "Änderung zum Arbeitsvertrag vom 15.07.78" (Anlage K 11 zum Schriftsatz des Klägers vom 01.07.2015; Bl. 83 d. A.) als "Mitarbeiter Mastfarm/OW" beschäftigt. Unter § 6 des Änderungsvertrages vereinbarten die Parteien die ergänzende Anwendung der Vorschriften des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in der ... AG i.A./... AG i.A. vom 27.09.1990 in der jeweils gültigen Fassung.
Der vorgenannte Manteltarifvertrag wurde durch den unter dem 16.12.2004 unterzeichneten und für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2009 gültigen Manteltarifvertrag (MTV) - Haustarifvertrag - mit der Industriegewerkschaft ... (Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 23.06.2015; Bl. 52 ff. d. A.) abgelöst. In diesem sind unter § 4 Nr. 3 diverse "Zulagen" geregelt. U.a. heißt es dort wie folgt:
3.3 Schichtzulage
Im Schichtbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer erhalten eine Schichtzulage in Höhe von 0,10 €/gearbeitete Stunde.
3.4 Zulagenkombination
Die vorgenannten Zulagen werden nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden ohne Pausen, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit gezahlt und sind nicht kombinierbar mit anderen Zulagen.
3.5 Treueprämie
Für den kontinuierlichen Arbeitseinsatz ohne Fehlzeiten über die gesamte Dauer eines Monats erhält der Arbeitnehmer eine Treueprämie. Die Höhe ist im § 8 Lohn- und Gehaltstarifvertrag geregelt. Im Falle unentschuldigten Fehlens innerhalb des Monatszeitraums erlischt der Anspruch auf Treueprämie für diesen gesamten Monat.
Des Weiteren ist im Manteltarifvertrag u.a. Folgendes bestimmt:
§ 5
Arbeitsversäumnis und Arbeitsausfall
1. (...)
3. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle
Ist der Arbeitnehmer infolge Krankheit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert (Arbeitsunfähigkeit), ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch entsprechend den Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes auf Basis des Grundlohnes. (...)
§ 7
Urlaub
1. (...)
5. Urlaubsentgelt
Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes.
Dementsprechend werden zusätzlich zum Grundlohn die Nachtzuschläge, die Haken-, Erschwernis- und Schichtzulage und die Zuschläge für Gruppenleiter, Maschi...