Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründete Differenzlohnklage einer Verkäuferin bei Gewerkschaftsbeitritt im Nachwirkungszeitraum des Gehaltstarifvertrages

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist mit der Verweisung eines Tarifvertrages auf die Normen eines anderen Tarifvertrages eine Gleichstellung mit der Entwicklung der in Bezug genommenen Tarifnormen gewollt, spricht das in der Regel dafür, dass auch der Geltungszustand der in Bezug genommenen Tarifnorm (Gehaltstarifvertrag) auf den Verweisungstarifvertrag (Anerkennungstarifvertrag) durchschlagen soll. Mit der Kündigung des Gehaltstarifvertrages tritt auch die darauf verweisende Regelung des Anerkennungstarifvertrages in den Geltungszustand der Nachwirkung, ohne dass es einer Kündigung des Anerkennungstarifvertrages bedarf.

2. Nachwirkende Tarifnormen gelten nur für Arbeitsverhältnisse, für die die Tarifnormen bereits vor dem Ablauf des Tarifvertrages unmittelbar und zwingend galten. Tritt die Arbeitnehmerin erst im Nachwirkungszeitraum der tarifschließenden Gewerkschaft bei, gelten die nachwirkenden Tarifnormen für ihr Arbeitsverhältnis nicht.

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 5; BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Zwickau (Entscheidung vom 22.01.2015; Aktenzeichen 6 Ca 1896/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.09.2017; Aktenzeichen 4 AZR 630/15)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 22. Januar 2015 - 6 Ca 1896/13 - wird auf Kosten der Klägerin

z u r ü c k g e w i e s e n .

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht tarifvertragliche Differenzlohnansprüche für die Monate August 2013 bis August 2014 geltend.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 16. Januar 2003 als Verkäuferin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt. Das monatliche Bruttogehalt betrug bis März 2014 1.211,00 €; seit April 2014 beträgt es 1.302,70 €.

Die Beklagte schloss mit der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft e. V. Sachsen den Anerkennungstarifvertrag vom 2. Juli 2001, in Kraft getreten am 1. Mai 2003 (Bl. 23 f. d. A.). Nach dessen § 2 (Anerkennung der Tarifverträge) gelten die Tarifverträge des Einzelhandels Sachsen in ihrer jeweiligen Fassung. Sämtliche anerkannten Tarifverträge, der Manteltarifvertrag für den Einzel- und Versandhandel im Freistaat Sachsen vom 27. Mai 1994 i. d. F. v. 22. August 2008 nebst des Ergänzungstarifvertrages vom 20. Juni 2011 sowie der Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für die Beschäftigten im Einzel- und Versandhandel im Freistaat Sachsen, in Sachsen-Anhalt und Freistaat Thüringen vom 20. Juni 2011 (Gehaltstarifvertrag) wurden zum 30. April 2013 bzw. zum 31. Mai 2013 gekündigt. Die Klägerin ist seit dem 1. August 2013 ver.di-Mitglied. Der Anerkennungstarifvertrag vom 2. Juli 2001 wurde zum 31. Oktober 2013 gekündigt.

Die Klägerin machte die streitgegenständlichen Differenzlohnansprüche mit Schreiben vom 22. August, vom 9. September und vom 27. September 2013 erfolglos geltend.

Die Klägerin hat vorgetragen, nach dem Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für die Beschäftigten im Einzel- und Versandhandel im Freistaat Sachsen habe sie unter Zugrundelegung einer 30-Stunden-Woche gemäß der Gehaltsgruppe K 2 nach dem siebten Berufsjahr einen Gehaltsanspruch in unstreitiger Höhe von 1.749,47 € brutto. Auf diesen Anspruch habe die Beklagte bis März 2014 nur 1.211,00 € und danach nur 1.302,70 € brutto bezahlt. Der Anerkennungstarifvertrag habe bis zum 31. Oktober 2013 aufgrund kongruenter Tarifbindung unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung gefunden. Dies habe zur Folge, dass die anerkannten Tarifverträge ebenfalls unmittelbar und zwingend weiter gölten, ab dem 1. November 2013 nachwirkend.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 538,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, aber mindestens 5 % Zinsen ab 31.08.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 538,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, aber mindestens 5 % Zinsen ab 01.10.2013 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 538,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, jedoch mindestens 5 % Zinsen ab 01.11.2013 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 538,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, jedoch mindestens 5 % Zinsen ab 01.12.2013 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 538,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, jedoch mindestens 5 % Zinsen ab 01.01.2014 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 538,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, jedoch mindestens 5 % Zinsen ab 01.02.2014 zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 538,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf...

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