Entscheidungsstichwort (Thema)
Meistbegünstigungsgrundsatz. Fehlerhafte Entscheidung des Arbeitsgerichts. Versäumnisverfahren
Leitsatz (amtlich)
Der Meistbegünstigungsgrundsatz entbindet nicht von der Einhaltung der für ein Rechtsmittel vorgesehenen Formen und Fristen. Dabei darf aber der Zugang zu der gerichtlichen Kontrollinstanz nicht durch Anforderungen behindert werden, mit denen bei Ergreifen des wahlweise statthaften Rechtsmittels oder Rechtsbehelfes nicht zu rechnen wäre.
Normenkette
ZPO §§ 345, 514 Abs. 2, § 538 Abs. 2 Nr. 6; ArbGG § 68
Verfahrensgang
ArbG Bautzen (Urteil vom 26.02.2004; Aktenzeichen 9 Ca 9310/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird die Sache unter Aufhebung des so bezeichneten Zweiten Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Bautzen vom 26.02.2004 – 9 Ca 9310/03 – und des Verfahrens ab Verkündung jenes Urteils an das Arbeitsgericht zur Verkündung eines das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 02.10.2003 – 9 Ca 9310/03 – aufrechterhaltenden Versäumnisurteils
z u r ü c k v e r w i e s e n ,
wobei im Rahmen der zu treffenden Entscheidung über die weiteren Kosten des Rechtsstreits die Kosten des Berufungsverfahrens der Beklagten aufzuerlegen sind.
Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache durch das Arbeitsgericht (durch Erlass eines weiteren Ersten Versäumnisurteils, jedenfalls aber durch das Unterlassen der Verkündung eines als Zweites Versäumnisurteil bezeichneten Urteils) nicht entstanden wären, werden nicht erhoben.
Revisionszulassung: keine.
Tatbestand
Das Arbeitsgericht Bautzen hat die Beklagte mit dem dieser am 07.10.2003 zugestellten Versäumnisurteil vom 02.10.2003 zur Zahlung von Arbeitsentgelt an den Kläger verurteilt.
Auf den am 10.10.2003 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Einspruch der Beklagten ist es am 11.12.2003 zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht gekommen.
Ausweislich der Niederschrift über den Termin vom 11.12.2003 haben die Parteien zur Sach- und Rechtslage verhandelt und ausweislich des Protokolls folgende Anträge gestellt:
„Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil des erkennenden Gerichts vom 01.10.2003 zu verwerfen und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, das Versäumnisurteil vom 01.10. 2003 aufrechtzuerhalten.”
(Gemeint ist ersichtlich das Urteil vom 02.10.2003.)
Danach verkündete das Arbeitsgericht den Beschluss, dass eine Entscheidung am Ende des Sitzungstages verkündet werde.
Am Ende des Sitzungstages erfolgte der Sache nach eine Vertagung auf Donnerstag, den 26.02.2004.
Im Termin vom 26.02.2004 war die Beklagte säumig. Ein geladener und erschienener Zeuge ist nicht vernommen worden. Auf den Antrag des Klägers hat das Arbeitsgericht ein den Einspruch der Beklagten verwerfendes Zweites Versäumnisurteil erlassen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 04.03.2004 zugestellte Zweite Versäumnisurteil am 02.04.2004 Berufung eingelegt und diese am 30.04.2004 ausgeführt.
Die Beklagte macht geltend, an der Wahrnehmung des Termins vom 26.02. 2004 unverschuldet gehindert gewesen zu sein. Ein Mitarbeiter habe den neuerlichen Termin irrtümlicherweise für den 26.03.2004 statt für den 26.02. 2004 vermerkt.
Weiter verweist die Beklagte darauf, dass am 26.02.2004 kein Zweites Versäumnisurteil hätte erlassen werden dürfen, nachdem am 11.12.2003 verhandelt worden war.
Die Beklagte beantragt,
- das Zweite Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 26.02.2004 – 9 Ca 9310/03 – aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Arbeitsgericht zur Behandlung als Einspruch zurückzuverweisen;
hilfsweise, den Tenor des Zweiten Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts unter dessen Ziffer 1 dahin abzuändern, dass es heiße:
„Das Versäumnisurteil vom 02.10.2003 wird aufrechterhalten.”
Äußerst hilfsweise beantragt die Beklagte, das Zweite Versäumnisurteil vom 26.02.2004 aufzuheben und das Erste Versäumnisurteil vom 02.10.2003 wie folgt abzuändern:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.800,00 Euro brutto Gehalt Juni 2003 abzgl. gezahlter 500,00 Euro netto, abzüglich weiterer 300,00 Euro netto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.07.2003 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.800,00 Euro brutto Gehalt Juli 2003 abzgl. 300,00 Euro netto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.08.2003 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.800,00 Euro brutto Gehalt August 2003 abzgl. 300,00 Euro netto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2003 zu zahlen.
Der Kläger beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Der Kläger ist der Auffassung, dass am 26.02.2004 ein Fall der schuldhaften Versäumung vorgelegen habe. Er bestreitet, dass sich der Mitarbeiter den Termin irrtümlicherweise für einen anderen Tag vermerkt hat und verweist darauf, dass den Termin vom 11.12.2003 beide Geschäftsführer der Beklagten persönlich wahrgenommen hatten, weswegen ihnen der Fortsetzungstermin bekannt gewesen sei.
Wegen der Einze...