Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Organisationsentscheidung des Arbeitgebers. Personalratsanhörung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist ein Angestellter nach Schließung seiner Dienststelle noch keiner anderen Dienststelle zugeordnet, muss vor Ausspruch einer Änderungskündigung des Angestellten die Stufenvertretung der Dienststelle beteiligt werden, die die Änderungskündigung ausspricht.
2. Reduziert sich die Organisationsentscheidung zur Personalreduzierung praktisch auf den Kündigungsentschluss, sind diese beiden Unternehmerentscheidungen ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander zu unterscheiden. Deshalb sind wegen der Nähe zum bloßen Kündigungsentschluss, dessen Durchsetzung wegen § 1 Abs. 2 KSchG nicht bloß auf Unsachlichkeit oder Willkür zu überprüfen, die Anforderungen an den vom Arbeitgeber zu erbringenden Tatsachenvortrag, der die Kündigung bedingen soll, werden vielmehr erheblich gesteigert.
Normenkette
SächsPersVG § 78 Abs. 3; KSchG § 1 Abs. 2 S. 4; BGB § 174
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Urteil vom 05.09.2002; Aktenzeichen 8 Ca 2433/02) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 05.09.2002 – Az. 8 Ca 2433/02 – wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.
Die 34-jährige Klägerin, verheiratet, einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet, ist bei der Beklagten seit 1988 als Köchin beschäftigt, bis zu Beginn des Jahres 2000 ausschließlich in Kindertageseinrichtungen.
Die Beklagte übertrug im Jahr 1999 fast alle von ihr bis dahin mit eigenen Arbeitnehmern erfüllte technische Dienstleistungen auf private Dienstleistungsfirmen, so auch die Essenversorgung in den Kindertageseinrichtungen. Mit Schreiben vom 15.11.1999 informiert die Beklagte die Klägerin, dass ihr Arbeitsverhältnis wegen Betriebsübergangs zum 01.01.2000 auf die Firma R. übergehe. Die Klägerin widersprach, ebenso wie 99 weitere Arbeiter, dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses.
Mit Stadtratsbeschluss vom Februar 2000 strich die Beklagte 709 zum Bereich Technische Dienstleistungen zählende Stellen aus dem Stellenplan und kündigte 80 von 100 dem Betriebsübergang widersprechenden Arbeitnehmern betriebsbedingt, darunter der Klägerin mit Schreiben vom 27.03.2000 zum 30.09.2000. Im darauffolgenden Kündigungsschutzstreit obsiegte die Klägerin. Das Sächsische Landesarbeitsgericht stellte hierzu in seinem Urteil vom 31.05.2002, Aktenzeichen: 3 Sa 8/01 (Bl. 188 bis 193 d. A.) die Sozialwidrigkeit der Kündigung mit der Begründung fest, die Beklagte hätte die Klägerin als Küchenleiterin in dem Städtischen Pflegeheim … weiterbeschäftigen können. Außerdem ist nach Auffassung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts der Personalrat vor Ausspruch der damaligen Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte wurde zur vorläufigen Weiterbeschäftigung der Klägerin als Köchin verurteilt. Seit 01.03.2001 arbeitet die Klägerin als Köchin in zum Sozialamt gehörenden Pflegeheimen der Beklagten.
Zum 01.01.2001 gründete die Beklagte den Eigenbetrieb „Kindertageseinrichtungen”, dem alle Mitarbeiter des ehemaligen Amtes „Kindertageseinrichtungen” der Beklagten zugeordnet wurden. Im Stellenplan des Eigenbetriebes gab es wegen der 1999 erfolgten Privatisierung keine Stellen für Technische Dienstleistungen. Gleichwohl wies die Beklagte die Klägerin und weitere ursprünglich in Kindertageseinrichtungen beschäftigt gewesene Mitarbeiter, bei denen über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses noch nicht rechtskräftig entschieden war, organisatorisch diesem Eigenbetrieb zu. Dessen Leitung entschied am 28.02.2001 einer dem voraussichtlichen Personalüberhang entsprechende Anzahl von Mitarbeitern im Bereich Technische Dienstleistungen zu kündigen, sofern keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten innerhalb der Beklagten möglich ist.
Mit Schreiben vom 25.03.2002 wurde der Klägerin zum 30.09.2002 betriebsbedingt gekündigt. Das Kündigungsschreiben wurde von Frau … unterschrieben. Unter ihrer Unterschrift befindet sich der Zusatz „… – Betriebsleiterin”.
Bei der Beklagten sind in den einzelnen Dienststellen, darunter dem Eigenbetrieb „Kindertageseinrichtungen” und dem Sozialamt, „örtliche” Personalräte und außerdem ein Gesamtpersonalrat gebildet.
Vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung wurde der Personalrat des Eigenbetriebes schriftlich angehört. Dieser widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 11.03.2002.
Mit am 15.04.2002 eingegangener Klage, zugestellt 19.04.2002, macht die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Die Kündigung sei mangels (neuer) betriebsbedingter Gründe und wegen fehlerhafter Sozialauswahl sowie wegen fehlender Kündigungsvollmacht und Anhörung des unzuständigen Personalrats unwirksam. Im Übrigen bestünden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, zumindest die im Vorprozess schon festgestellte Beschäftigungsmöglichkeit im P...