Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung nach bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses andauernder Arbeitsunfähigkeit. Ausgleichsklausel im gerichtlichen Vergleich. Erfassung von Urlaubsabgeltungsansprüchen. Tarifvertragliche Urlaubsansprüche
Leitsatz (redaktionell)
1. Haben die Parteien in einem von ihnen vor Gericht geschlossenen Vergleich vereinbart, dass mit Erfüllung des gerichtlichen Vergleichs wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchen Rechtsgrund, erledigt sind, so haben sie damit vereinbart, dass zwischen ihnen für die Zukunft keine Ansprüche mehr bestehen, also auch keine Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüche. Diese Vereinbarung der Parteien ist ein selbstständiges negatives Schuldanerkenntnis i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB, das alle Ansprüche zum Erlöschen bringt, die den Erklärenden bekannt waren oder mit deren Bestehen zu rechnen war. Das schließt nach dem Inhalt der Vereinbarung auch Urlaubsabgeltungsansprüche des Arbeitnehmers ein, soweit es sich um arbeitsvertragliche Urlaubsansprüche handelt. Gesetzliche Urlaubsansprüche sind unabdingbar nach § 13 BUrlG.
2. Begehrt ein Arbeitnehmer „Tarifurlaub” so muss er vortragen, welcher Tarifvertrag warum auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
Normenkette
BUrlG §§ 7, 13; BGB § 397 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Urteil vom 20.12.2010; Aktenzeichen 11 Ca 2485/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 20.12.2010 – 11 Ca 2485/10 – teilweise
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.543,60 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 05.08.2010 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/5, die Beklagte zu 3/5.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung i.H.v. 10.656,72 EUR brutto für insgesamt 114 Urlaubstage.
Der 1958 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem 12.03.1987 als Lader beschäftigt. Bei einer 5-Tage-Woche erhielt er zuletzt eine Monatsbruttovergütung i.H.v. 2.025,45 EUR. Dem Kläger stehen 30 Arbeitstage Urlaub pro Jahr zu, die Verdienstabrechnung für den Monat Januar 2006 weist zudem 9 Resturlaubstage für das Jahr 2005 aus.
Im Laufe des Monats Januar 2006 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall und war bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig. Aufgrund der langandauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.11.2008 ordentlich zum 30.06.2009. Die hiergegen vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage wurde erstinstanzlich abgewiesen. Auf die daraufhin vom Kläger eingelegte Berufung schlossen die Parteien vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht unter dem Az. 7 Sa 584/09 am 29.06.2010 einen Vergleich, der auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
- Die Partien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch die ordentliche personenbedingte Kündigung der Beklagten vom 26.11.2008 mit Ablauf des 30.06.2009 aufgelöst wurde.
- Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Sozialabfindung i.H.v. 11.500,00 EUR brutto bis zum 15.07.2010.
- Mit Erfüllung des vorliegenden gerichtlichen Vergleichs sind wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, da er – insoweit unstreitig – bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 30.06.2009 durchgehend krankgeschrieben gewesen sei, habe er seinen arbeitsvertraglichen Anspruch von 30 Urlaubstagen pro Jahr nicht in natura nehmen können. Die Beklagte sei daher zur Abgeltung verpflichtet. Für 2006 seien 39 Tage, für die Jahre 2007 und 2008 jeweils 30 Tage und für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.06.2009 nochmals 15 Tage in Ansatz zu bringen, so dass insgesamt 114 Tage abzugelten seien. Als Tagesverdienst sei ein Betrag i.H.v. 93,48 EUR zugrunde zu legen (2.025,45 EUR brutto × 3: 65 Arbeitstage), so dass sich für 114 abzugeltende Urlaubstage ein Gesamtbetrag i.H.v. 10.656,72 EUR errechne.
Dieser Urlaubsabgeltungsanspruch sei auch nicht durch den gerichtlichen Vergleich vom 29.06.2010 entfallen. Aufgrund der Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes sei der Urlaubsabgeltungsanspruch unabdingbar, er habe deshalb nicht rechtswirksam über diesen Anspruch verfügen und daher im gerichtlichen Vergleich auch nicht auf diesen verzichten können.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.656,72 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Schriftsätzlicher Vortrag der Beklagten zur ...