Verfahrensgang
ArbG Dresden (Urteil vom 24.02.1994; Aktenzeichen 10 Ca 7430/93) |
Nachgehend
Tenor
1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 24.2.1994, Az. 10 Ca 7430/93, abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Zeitraum vom 1.8.1972 bis 13.4.1988 als Beschäftigungszeit der Klägerin im Sinne des § 19 BAT-O anzurechnen.
Die am 4.4.1954 geborene, verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtete Klägerin war vom 1.8.1972 bis 13.4.1988 beim Rat des Stadtbezirkes D. O., Abteilung Volksbildung als Kindergärtnerin beschäftigt. Am 14.10.1986 wurde das Kind der Klägerin geboren. Im Jahr 1984 hatte sie bereits Zwillinge zur Welt gebracht, die jedoch nach wenigen Tagen verstarben. Vom 3.3.1987 bis 3.4.1988 wurde die Klägerin gemäß § 246 AGB DDR von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Zum 13.4.1988 schied sie aufgrund eines Aufhebungsvertrages vom 6.4.1988 auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis aus, weil sie ihr Kind bis zum 3. Lebensjahr selbst betreuen wollte. Hinsichtlich der Einzelheiten des Aufhebungsvertrages wird auf die Anlage zur Klageschrift (Aktenseiten 15 und 16) Bezug genommen. Aufgrund Arbeitsvertrages vom 13.2.1990 wurde die Klägerin vom Rat des Stadtbezirkes West der Stadt D. mit Wirkung vom 1.2.1990 wieder eingestellt. Seitdem ist die Klägerin bei der Stadt D. als Kindergärtnerin beschäftigt. Mit Bescheid vom 25.11.1992 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sich als Beginn ihrer Beschäftigungszeit gemäß § 19 BAT-O der 15.2.1990 ergebe. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Anrechnung der Beschäftigungszeit vom 1.8.1972 bis 13.4.1988.
Erstinstanzlich hat die Klägerin vorgetragen, daß die Nichtanrechnung der Vordienstzeit eine unbillige Härte darstellen würde. Bei Abschluß des Aufhebungsvertrages vom 6.4.1988 sei der Klägerin mitgeteilt worden, daß es nicht möglich sei, ihr bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes unbezahlten Urlaub zu gewähren. Wenn sie ihr Kind bis dahin selbst versorgen wolle, gebe es keine andere Möglichkeit als den Abschluß eines Aufhebungsvertrages. Nachdem ihre 1984 geborenen Zwillinge bereits nach zwei Tagen gestorben seien, habe sich die Klägerin unbedingt um das am 14.10.1976 geborene Kind selbst kümmern wollen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 1.8.1972 bis 13.4.1988 als Beschäftigungszeit im Sinne des § 19 BAT-O anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, daß die Nichtanrechnung der Beschäftigungszeit vom 1.8.1972 bis 13.4.1988 keine unbillige Härte darstelle. Soweit in den alten Bundesländern vergleichbare Sachverhalte zu einer Anrechnung der Beschäftigungszeiten führe, sei dies nicht auf das Beitrittsgebiet zu übertragen, da die gesellschaftspolitische Situation vor der Wiedervereinigung in den alten Bundesländern eine andere gewesen sei als in der ehemaligen DDR.
Das Arbeitsgericht Dresden hat der Klage durch Urteil vom 24.2.1994 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß es eine unbillige Härte im Sinne des § 19 Abs. 1 Unterabs. 3 BAT-O darstelle, die Beschäftigungszeit vom 1.8.1972 bis 13.4.1988 nicht auf das Arbeitsverhältnis anzurechnen. Das Arbeitsgericht hat sich dabei im wesentlichen auf den Beschluß des Arbeitgeberkreises der BAT-Kommission vom 29.5.1989 gestützt, wonach die BAT-Kommission mehrheitlich keine Bedenken erhob, in der Nichtanrechnung der vor einem Ausscheiden auf eigenen Wunsch zurückgelegten Beschäftigungs- bzw. Dienstzeit eine unbillige Härte im Sinne der §§ 19 Abs. 1 Satz 3 bzw. 20 Abs. 3 Satz 2 BAT zu sehen, wenn das Arbeitsverhältnis zur Betreuung und Erziehung eines Kindes unter 18 Jahren aufgelöst wurde, die Arbeitnehmerin bis zur Wiedereinstellung nicht erwerbstätig war, die Unterbrechung den Zeitraum einer Beurlaubung nach § 48 a Abs. 2 BRRG nicht überschritten hat, die Arbeitnehmerin auf unbestimmte Zeit eingestellt wurde und kein sachlicher Grund vorliegt, der die Annahme einer unbilligen Härte ausschließt. Diese Grundsätze hielt das Arbeitsgericht für geeignet, einen Maßstab für die „unbillige Härte” darzustellen. Die in diesem Beschluß enthaltenen Voraussetzungen seien im Falle der Klägerin zu geben, weshalb die Beklagte verpflichtet sei, die Beschäftigungszeit vom 1.8.1972 bis 13.4.1988 anzurechnen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 24.2.1994, 10 Ca 7430/93, wurde der Beklagten am 15.3.1994 zugestellt. Die hiergegen gerichtete Berufung ging am 12.4.1994 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht ein und wurde mit einem am Montag, dem 13.6.1994 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist am 11.5.1994 bis 13.6.1994 verlängert worden war.
Zur Begründung der Berufung führt die Beklagte aus, daß die N...