Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzlicher Personalübergang nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II nur nach mindestens 24-monatiger Berufserfahrung
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den gesetzlichen Personalübergang von der Bundesagentur für Arbeit auf einen kommunalen Träger ist § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II maßgeblich. Diese Vorschrift ist verfassungskonform, in ihrem Wortlaut eindeutig und keinen Interpretationen oder Auslegungen zugänglich.
2. Nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II muss der Arbeitnehmer die Aufgaben der Bundesagentur als Trägerin der Grundsicherung für Arbeitssuchende "am Tag vor der Zulassung" eines weiteren kommunalen Trägers "mindestens 24 Monate" in dem "Gebiet des kommunalen Trägers" wahrgenommen haben. Die 24-Monate-Frist berechnet sich daher rückwirkend ab dem Tag vor der Zulassung des Landkreises als weiterem kommunalem Träger. Diese Stichtagsregelung lässt sich auch aus den Gesetzesmaterialien gut begründen: Die kommunalen Träger sind auf personelle Kontinuität und die Erfahrungen und Fachkompetenz der Bundesagentur angewiesen. Ein Zeitraum von 24 Monaten gewährleistet, dass die zum kommunalen Träger übertretenden Beschäftigten der Bundesagentur eine hinreichende Berufserfahrung haben.
Normenkette
SGB II § 6 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Entscheidung vom 01.06.2012; Aktenzeichen 12 Ca 4585/11) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 01.06.2012 - 12 Ca 4585/11 -
a b g e ä n d e r t :
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.12.2011 hinaus auf unbestimmte Zeit fortbesteht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens zu unveränderten Vertragsbedingungen weiterzubeschäftigen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes auf den Landkreis ... übergegangen ist sowie um die Prozessbeschäftigung der Klägerin.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.09.1998, zunächst als Auszubildende, später als Angestellte in Vollzeit mit einem Bruttomonatseinkommen in Höhe von zuletzt 3.255,40 € beschäftigt.
Zum 01.07.2007 wurde der Klägerin die Tätigkeit einer Arbeitsvermittlerin im Rechtskreis SGB II in der damaligen Arbeitsgemeinschaft (fortan: ...) ... übertragen. In der Zeit vom 15.04.2008 bis zum 04.08.2009 befand sich die Klägerin in Mutterschutz bzw. Elternzeit. Ab dem 01.10.2009 übertrug die Beklagte der Klägerin die Tätigkeit einer Arbeitsvermittlerin bei der damaligen ... Land. Ihr Einsatz erfolgte in der Geschäftsstelle ... Die Tätigkeitszuweisung erfolgte zunächst vorübergehend. Mit Schreiben vom 10.02.2010 übertrug die Beklagte der Klägerin die Tätigkeit einer Arbeitsvermittlerin im Bereich SGB II in der Agentur für Arbeit ... in der ... Land auf Dauer. Diese Tätigkeitsübertragung wurde zu keiner Zeit widerrufen.
Ab dem 27.06.2011 befand sich die Klägerin zunächst in einem schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbot. Ab dem 10.09.2011 schloss sich nahtlos ihr Mutterschutz an. Im Anschluss hieran nahm die Klägerin für die Zeit vom 01.11.2011 bis zum 31.10.2012 Elternzeit in Anspruch.
Mit Wirkung zum 01.01.2012 wurde der Landkreis ... als neuer kommunaler Träger zugelassen, so dass die Aufgaben, die die Beklagte nach dem SGB II im Gebiet des Landkreises ... bis zum 31.12.2011 wahrgenommen hatte, auf den Landkreis ... übergingen. Mit Schreiben vom 26.10.2011 wurde die Klägerin von der Beklagten über den gesetzlichen Personalübergang gemäß § 6 c SGB II zum 01.01.2012 auf den Landkreis ... informiert. Gegen diesen Übergang wendet sich die Klägerin mit vorliegender Klage.
Sie hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht gemäß § 6 c Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den Landkreis ... übergegangen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sie in den letzten 24 Monaten vor dem Übergang ihre Aufgaben auf dem Gebiet des SGB II auch tatsächlich wahrgenommen hätte. Die Formulierung des Gesetzestextes ("wahrgenommen haben") mache deutlich, dass es sich um eine aktive Aufgabenwahrnehmung handeln müsse. An einer solchen fehle es bei ihr aber gerade ab dem 27.06.2011.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.12.2011 auf unbestimmte Zeit fortbesteht,
2. im Falle des Obsiegens zu Ziffer 1 die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Angestellte weiterzubeschäftigen. Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die schwangerschaftsbedingte Abwesenheit der Klägerin stehe dem gesetzlichen Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nach § 6 c SGB II nicht entgegen. Sie sei zum Zeitpunkt des Übergangs auf einer Planstelle im Jobcenter ... Land geführt worden. Die dauerhafte Tätigkeitsübertragung sei bis zum 31.12.2011 auch nicht widerrufe...