Verfahrensgang
KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 08.05.1992; Aktenzeichen 20 Ca 247/91) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Leipzig-Stadt vom 08.05.1992 – 20 Ca 247/91 – wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß Ziff. 2. des Urteilstenors wie folgt gefaßt wird:
Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Lehrerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits über den Kündigungsfeststellungsantrag weiterzubeschäftigen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen mit Schreiben des Oberschulamtes … vom 18.12.1991.
Die am … 1939 geborene Klägerin, verheiratet, ohne unterhaltsberechtigte Kinder, besitzt die Lehrbefähigung für den Unterricht in den unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule mit den Fächern Mathematik und Werken. Zuletzt war die Klägerin an der … Polytechnischen Oberschule in … beschäftigt und hatte im Schuljahr 1989/90 die Förderklasse für Kinder mit Entwicklungsrückständen der Jahrgangsstufe 1 übernommen. Ihre Monatsbezüge beliefen sich zuletzt auf DM 2.577,84 brutto.
In der Zeit von 1969 bis 1974 war die Klägerin in der Funktion als stellvertretender Schuldirektor tätig. Die Klägerin besuchte die Kreisparteischule und 1981 die Bezirksparteischule der SED. Von 1977 bis 1981 sowie von 1983 bis 1988 nahm die Klägerin das Amt des Parteisekretärs der SED-Grundorganisation an der … Oberschule in … wahr; die Parteigruppe bestand dort aus ca. 18 Mitgliedern.
Nach Anhörung der Klägerin beim Oberschulamt am 26.11.1991 (siehe Anhörungsprotokoll Bl. 89/90 d.A.) kündigte der Beklagte mit Schreiben des Oberschulamtes … vom 18.12.1991 (Bl. 3/4 d.A.) das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.03.1992 unter Hinweis auf die Tätigkeit der Klägerin als Parteisekretärin; die Klägerin erscheine aufgrund dieser früheren Tätigkeit nicht geeignet, junge Menschen im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung glaubwürdig zu erziehen.
Gegen diese Kündigung richtet sich die am 20.12.1991 beim Kreisgericht eingegangene Klage.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigung bedürfe gem. § 1 KSchG der sozialen Rechtfertigung. Der Einigungsvertrag enthalte keinen eigenständigen Kündigungstatbestand. Vielmehr seien die Vorschriften des Einigungsvertrages nur als konkretisierende Sonderregelungen zu § 1 Abs. 2 KSchG anzusehen.
Die Vorwürfe gegen die Klägerin seien lediglich pauschal. Eine Einzelfallprüfung sei nicht vorgenommen worden. Insbesondere hätte man die jetzige Einstellung der Klägerin zur Verfassung der Bundesrepublik nicht überprüft. Aus dem Anhörungsprotokoll bzw. aus dem Schreiben der Klägerin vom 26.11.1991 ergäbe sich, daß die Klägerin gänzlich mit dem DDR-Staat und SED-Regime gebrochen habe.
Die Klägerin habe weder indoktriniert, denunziert noch bespitzelt. Die Beschlüsse der Parteileitung der Grundorganisation seien kollektiv gefaßt worden. In den Monatsberichten seien keine Namen genannt worden. Da die Klägerin in der Grundstufe unterrichtet habe, hätte sie nichts mit der Delegierung von Schülern in fortführende Bildungseinrichtungen zu tun gehabt. Der Hintergrund der Distanzierung der Klägerin vom SED-Regime sei sehr persönlich: am 07.09.1963 sei unter sehr mysteriösen Umständen die Mutter der Klägerin auf dem Hauptbahnhof Halle ums Leben gekommen.
Die Klägerin sei gut beleumundet. Dies zeigten u. a. die Zukunftswünsche des ehemaligen Lehrerkollegiums vom 28.06.1988 wie auch die Einschätzung ihrer Leistungen. Die Kündigungsfrist des § 9 der weitergeltenden Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 29.11.1979 sei nicht gewahrt. Daneben werde auch die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten. Gem. § 82 Abs. 6 PersVG/DDR sei die Zuständigkeit des örtlichen Schulpersonalrats bzw. des Kreispersonalrats begründet. Im übrigen habe die Kultusministerin die Erfüllung ihrer Verpflichtung, die Wahl des Bezirks- und Hauptpersonalrats bis Ende Januar 1992 zu ermöglichen, versäumt.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 18.12.1991, zugegangen am 18.12.1991, zum 31.03.1992 nicht beendet wird, sondern darüberhinaus unverändert fortbesteht,
- im Falle des Obsiegens zu 1. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin über den 31.03.1992 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat der Klägerin mangelnde persönliche Eignung vorgehalten. Dem Beklagten stünde eine relativ große Beurteilungsfreiheit zu, die nur in beschränktem Umfange der gerichtlichen Überprüfung unterliege. Der Beklagte habe eine konkrete Einzelfallprüfung vorgenommen. Angesichts der bisherigen Tätigkeit der Klägerin über insgesamt neun Jahre hinweg als Parteisekretärin an der … Oberschule in … böte die Klägerin keine Gewähr dafür, ...