Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Sozialtarifvertrages zum Begriff “Bruttoentgelt ohne individuelle Zulagen„. Unbegründete Zahlungsklage eines Warensetzers auf höheren Abfindungsbetrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Wortlaut eines Sozialtarifvertrages ist mit der Formulierung “Bruttoentgelt ohne individuelle Zulagen„ nicht eindeutig: einerseits kann gemeint sein das Bruttomonatsentgelt ohne individuell vereinbarte Zulagen (aber mit aus kollektivrechtlichen Regelungen wie Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zustehenden Zulagen) oder aber das Bruttomonatsentgelt ohne individuell verdiente Zulagen (alle aufgrund der tatsächlichen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung von Leistung/Sonntags-/Feiertags- und Nachtarbeit).

2. Können anderweitige Regelungen des Sozialtarifvertrages (“volles Bruttomonatsentgelt„) nur im Sinne eines Fixbetrages verstanden werden, der etwa im Falle zeitanteiliger Erbringung der Arbeitsleistung auch nur verhältnismäßig anteilig gezahlt wird, spricht dieser Umstand gegen die Annahme, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff “Bruttomonatsentgelt„ grundsätzlich auch alle tariflichen Zulagen oder Zuschläge erfassen und nur die individualvertraglich vereinbarten ausnehmen wollten. Meint der Begriff “Bruttomonatsentgelt„ aber das tarifliche Fixgehalt, umfasst er weder die tariflichen Zuschläge noch den aufgrund einer Betriebsvereinbarung geschuldeten Leistungslohn.

 

Normenkette

BetrVG § 112 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Entscheidung vom 02.07.2014; Aktenzeichen 4 Ca 834/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.09.2017; Aktenzeichen 1 AZR 137/15)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 02.07.2014 - Az. 4 Ca 834/14 - wird auf Kosten des Klägers

z u r ü c k g e w i e s e n .

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine höhere Abfindungszahlung des Klägers.

Der Kläger war bei der Beklagten von Mai 2003 bis 31.12.2013 zuletzt als Warensetzer beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein Arbeitsvertrag, der unter Verwendung eines Vertragsformulars abgeschlossen wurde. Das Formular sieht in § 4 Folgendes vor:

"...

Das Bruttoentgelt setzt sich wie folgt zusammen:

Tarifgehalt/-lohn

1.410,63 EUR

ab 4. Monat

1.521,33 EUR

+ freiwillige, übertarifliche Zulage

.............. EUR

.............. EUR

+ Schichtzulage

.............. EUR

.............. EUR

Gesamtbrutto

1.410,63 EUR

1.521,33 EUR

Die übertarifliche Zulage wird freiwillig gewährt ...

..."

Im Dezember 2013 erhielt der Kläger ein Tarifentgelt nach der Lohngruppe 3 in Höhe von 1.919,02 €. Weiterhin wurden ihm 62,52 € Leistungslohn, 15,00 € Besitzstand/Tarif, 2,05 € Kontoführungsgebühr, 34,38 € Sonntagszuschlag 50 %, 74,43 € Sonntagszuschlag 100 % sowie 94,65 € Nachtzuschlag 20 % gezahlt. Auf die Abrechnung des Dezember-Gehalts (Bl. 15 d. A.) wird Bezug genommen. Grundlage des dem Kläger gezahlten Leistungslohns ist eine Betriebsvereinbarung aus dem Januar 2004 (vorgelegt als Anlage K9, Bl. 39 ff d.A.). Er errechnet sich grundsätzlich aus den gesammelten Colli. Nr. 2 der Betriebsvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:

"2. Entlohnung

2.1. Als Grundlohn für o.g. Aufgabengebiet gilt der Tariflohn für gewerbliche Arbeitnehmer des sächsischen Groß- und Außenhandels in der Lohngruppe 3 als vereinbart.

2.2. Diesem Grundlohn liegt eine Soll-Leistung von 206 Colli pro Arbeitsstunde zu Grunde. Jedes Colli, dass über die Soll-Leistung hinaus ge 2.3. Bemessungszeitraum ist jeweils ein Kalendermonat. Die errechnete Vergütung wird mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung des darauffolgenden Monats abgerechnet.

2.4. ..."

Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Aufhebungsvertrages vom 03.12.2013. Hintergrund war eine Schließung der von der beklagten Partei unterhaltenen Betriebe in ... und ... Unter Nr. 3 der geschlossenen Aufhebungsvereinbarung ist geregelt, dass der Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß dem Sozialtarifvertrag vom 15.03.2010 in Höhe von 23.490,29 € brutto erhalten sollte. Nach Ziffer 7 des Aufhebungsvertrages sollten eventuell weitergehende Ansprüche aus einem zwischen dem Arbeitgeber und dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Sozialplan von der ebenfalls in Ziffer 7 enthaltenen Ausschlussregelung ausgenommen sein. Ein entsprechender Sozialplan liegt vor. Nach § 3 Nr. 1.3 dieses Sozialplans werden Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nach den Regelungen des Sozialtarifvertrags gewährt unter Erhöhung des im Sozialtarifvertrag zugrunde gelegten Faktors von 0,9 auf 1,1. Im Übrigen sollte die Berechnung der Abfindung nach Ziffer II § 1 Nr. 1 des Sozialtarifvertrags erfolgen. Zwischen den Betriebsparteien bestand weiterhin Einvernehmen, dass das Bruttomonatsgehalt gemäß Ziffer II § 1 Nr. 5 des Sozialtarifvertrags zu berechnen ist.

Ziffer II § 1 des Sozialtarifvertrags zwischen der ... mbH und der ...gewerkschaft lautet wie folgt:

"1. Arbeitnehmer/innen, deren Arbeitsverhältnis aufgrund der gemäß I. durchgeführten Maßnahmen unter Einhaltung de...

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