Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen an Selbständige. Einstiegsgeld. wirtschaftliche Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit. Stellungnahme einer fachkundigen Stelle. Regelbeispiele für fachkundige Stellen in § 57 Abs 2 S 2 Halbs 2 SGB 3 aF. Auswahl durch den Hilfebedürftigen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Stellen, die zur Beurteilung der Tragfähigkeit einer selbständigen Tätigkeit als fachkundig angesehen werden, hat der Gesetzgeber in § 57 Abs 2 S 2 Halbs 2 SGB 3 aF mit dem Gründungszuschuss beispielhaft aufgeführt. Auf diese Auflistung kann auch im Zusammenhang mit § 16c Abs 1 S 2 SGB 2 aF zurückgegriffen werden (Fortführung von LSG Chemnitz vom 13.10.2009 - L 3 AS 318/09 B ER).
2. Es ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien, dass die zuständige Behörde befugt sein soll, einem Antragsteller vorzuschreiben, von welcher bestimmten fachkundigen Stelle er eine Stellungnahme vorzulegen hat. Die Auswahl der fachkundigen Stelle, deren Leistung in Anspruch genommen werden soll, obliegt vielmehr dem Antragsteller.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 1. Juni 2010 aufgehoben. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Dresden Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin K… B…, M…, O…, ab 1. Juni 2011 als Bevollmächtigte mit der Maßgabe beigeordnet, dass im Hinblick auf die frühere Tätigkeit eines anderen Rechtsanwalts Mehrkosten nicht entstehen.
Derzeit sind weder Raten zu zahlen noch Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
1. Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 1. Juni 2010 ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Hieran gemessen ist dem Prozesskostenhilfeantrag stattzugeben.
Ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 13. August 2009 und der inzwischen im Verfahren L 3 AS 326/11 B ER ergänzend vorgelegten, aktuellen Unterlagen verfügt der Kläger weder über einzusetzendes Einkommen noch über einzusetzendes Vermögen.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat auch bei der gebotenen summarischen Prüfung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hierbei ist zu beachten, dass das Gericht im Prozesskostenhilfeverfahren die Prüfung der Sach- und Rechtslage nur summarisch vorzunehmen hat und aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten insbesondere bei von Fachgerichten zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten keine allzu überspannten Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. April 2002 - 1 BvR 81/00 - NJW 2000, 1936 ff.). Damit muss der Erfolg des Rechtsbegehrens nicht gewiss sein; Erfolgsaussichten sind nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen sind (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 23. Februar 2009 - L 3 B 740/08 AS-PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 8, m. w. N.; SächsLSG, Beschluss vom 15. Februar 2010 - L 3 AS 598/09 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 4, m. w. N.).
In diesem Sinne besitzt die Klage hinreichende Erfolgsaussichten. Der Kläger begehrt die Bewilligung von Einstiegsgeld wegen der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Seinen entsprechenden Antrag lehnte die ARGE Dresden mit Bescheid vom 12. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2009 mit der Begründung ab, dass er der Aufforderung, eine fachkundige Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer vorzulegen, nicht nachgekommen sei. Diese Begründung trägt die ablehnende Entscheidung jedoch nicht, weil es für eine solche spezifizierte Forderung keine Rechtsgrundlage gibt.
Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) kann zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die arbeitslos sind, bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Die Leistungen zur Eingliederung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, kann gemäß § 16c Abs. 1 Satz 1 SGB II nur gewährt werden, wenn zu erwarten ist, dass ...