Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Altersrentenbezieher. Pflicht zur Beantragung vorrangiger Sozialleistungen. vorzeitige Altersrente mit Rentenabschlägen. Übergangsvorschrift. Verzicht

 

Leitsatz (amtlich)

Hilfebedürftige, deren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 vor dem 1.1.2008 entstanden ist und die das 58. Lebensjahr vor diesem Tag vollendet haben, sind nicht nach § 12a SGB 2 verpflichtet, eine geminderte Altersrente in Anspruch zu nehmen.

 

Orientierungssatz

Soweit der nach § 65 Abs 4 SGB 2 nicht verpflichtete Hilfebedürftige nach Aufforderung durch den Grundsicherungsträger doch einen Antrag auf vorzeitige Altersrente gestellt hat, aber gegen die Rentenbewilligung Widerspruch eingelegt und den Rentenantrag zurückgenommen hat, so wäre ein Verzicht nicht gem § 46 Abs 2 SGB 1 unwirksam.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 5. Oktober 2010 dahin abgeändert, dass der Antragsgegner vorläufig für die Zeit vom 01.12.2010 bis zum 28.02.2011, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von monatlich 678,00 EUR zu erbringen hat.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden Antragsteller) (weiterhin) leistungsberechtigt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist oder als Altersrentner von derartigen Leistungen ausgeschlossen ist.

Der am …. 1947 geborene Antragsteller bezog seit geraumer Zeit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden Antragsgegner). Zuletzt wurden ihm mit Bescheid vom 25.03.2010 Leistungen in Höhe von monatlich 678,00 EUR für den Zeitraum vom 01.05.2010 bis 31.10.2010 bewilligt (359,00 EUR Regelleistung und 318,78 EUR Kosten der Unterkunft).

Unter dem 13./29.06.2007 schlossen die Beteiligten eine “Eingliederungsvereinbarung zu § 65 Abs. 4 SGB II i. V. m. § 428 SGB III„. U.a. ist darin niedergelegt, dass sich der Antragsteller bereit erklärt, zum frühestmöglichen Zeitraum eine abschlagsfreie Altersrente in Anspruch zu nehmen. Eine um Abschläge geminderte Rente wegen des noch nicht erreichten individuellen Rentenalters müsse also nicht beantragt werden. Mit Schreiben vom 26.08.2008 wandte sich der Antragsteller an den Antragsgegner und führte aus, er wolle die “58. Regelung„ zurückgenehmen, da er einen Ein-Euro-Job haben wolle.

Mit Schreiben vom 23.06.2010 forderte der Antragsgegner anlässlich des bevorstehenden 63. Geburtstags des Antragstellers diesen gemäß § 12a SGB II auf, einen Antrag auf Altersrente bei seiner Rentenversicherung zu stellen und die Antragstellung bis zum 09.07.2010 nachzuweisen. Der Antragsteller sei nach §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet, bei der Feststellung seines Bedarfs mitzuwirken. Nach § 66 i.V.m. § 67 SGB I könnten Sozialleistungen ohne weitere Ermittlung wegen fehlender Mitwirkung ganz oder teilweise versagt werden. Auf seinen Antrag vom 07.07.2010 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See dem Antragsteller Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 237 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ab 01.08.2010 in Höhe von 615,61 EUR monatlich. Abzüglich des Beitrags zur Krankenversicherung in Höhe von 48,63 EUR und des Beitrags zur Pflegeversicherung in Höhe von 13,54 EUR ergibt sich eine monatliche Nettorente von 553,44 EUR. Diese ist um 7,2 % auf Grund der vorzeitigen Inanspruchnahme gemindert.

Mit Bescheid vom 30.07.2010 hob der Antragsgegner die zuvor bis 31.10.2010 bewilligten Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung vom 01.08.2010 auf.

Sowohl gegen den Rentenbescheid als auch gegen den Aufhebungsbescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 03.08.2010 nach anwaltlicher Beratung Widerspruch ein. Den Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2010 zurück. Der Antragsteller sei als Altersrentner gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II ausgeschlossen. Auf den Antrag vom 30.08.2010 hin bewilligte das Sozialamt des Antragsgegners mit Bescheid vom 23.09.2010 darlehensweise Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Höhe von 665,21 EUR monatlich für September 2010 und Oktober 2010. Bis zur gerichtlichen Klärung bestehe eine Notlage, die durch die Gewährung des Darlehens beseitigt werde.

Den am 30.08.2010 beim SG gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das SG mit Beschluss vom 05.10.2010 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, hinsichtlich des Zeitraums bis zum 31.10.2010 habe der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruch...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge