Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Änderung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Auferlegung einer Einmalzahlung. Beschwerdeausschluss nach § 73a Abs 8 SGG. Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts. Behandlung von Altfällen. Übergangsregelung. Teleologische Reduktion

 

Leitsatz (amtlich)

1. In Prozesskostenhilfeverfahren schließt § 73a Abs 8 SGG die Beschwerde gegen Beschlüsse der Sozialgerichte über Erinnerungen gegen Entscheidungen der Urkundsbeamten nach § 73a Abs 4 und 5 SGG aus.

2. Eine teleologische Reduktion des Beschwerdesausschlusses nach § 73a Abs 8 SGG ist nicht im Hinblick auf § 172 Abs 3 Nr 2 SGG vorzunehmen.

3. Der Beschwerdeausschluss nach § 73a Abs 8 SGG greift auch in Verfahren, in denen der Prozesskostenhilfeantrag vor dem 1.1.2014 gestellt worden ist (entgegen LSG Halle vom 29.8.2014 - L 2 AS 266/14 B = NZS 2015, 38).

 

Normenkette

SGG § 73a Abs. 4-5, 8, § 172 Abs. 3 Nr. 2; ZPO § 120a

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Oktober 2014 wird verworfen.

II. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin (Bf.) wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz (SG), mit dem dieses ihre Erinnerung gegen die nachträgliche Änderung von zunächst vorbehaltloser Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) in eine Auferlegung einer Einmalzahlung aus ihrem Vermögen zurückgewiesen hat.

Der Bf. wurde für ein Klagverfahren gegen den Beteiligten PKH ratenfrei und ohne Auferlegung einer Einmalzahlung aus dem Vermögen gewährt (Beschluss des SG vom 07.09.2010). Mit Beschluss vom 30.06.2014 hat die Urkundsbeamtin des SG den Beschluss dahingehend abgeändert, dass der Bf. eine Einmalzahlung aus ihrem Vermögen in Höhe von 95,83 € auferlegt wurde; die hiergegen eingelegte Erinnerung blieb erfolglos (Beschluss des SG vom 23.10.2014). Gegen den am 03.11.2014 zugestellten Beschluss hat die Bf. am 17.11.2014 Beschwerde eingelegt.

Die Bf. ist - ohne nähere Begründung - der Ansicht, dass die Beschwerde zulässig ist. In der Sache selbst hat sie lediglich Ausführungen gemacht, die offensichtlich anderen Verfahren zuzuordnen sind.

Der Bg., die Staatskasse, hält die Beschwerde für unstatthaft. Er verweist auf § 73a Abs. 8 des Sozialgerichtsgesetzes in der seit dem 01.01.2014 geltenden Fassung (SGG).

Dem Senat haben die Gerichtsakten beider Rechtszüge nebst Kostenheften vorgelegen.

II.

1. Die Beschwerde ist zu verwerfen, weil sie unstatthaft ist. Der Bf. steht kein Rechtsmittel gegen den angefochtenen Beschluss des SG vom 23.10.2014 zu.

§ 172 Abs. 1 SGG eröffnet die Beschwerde gegen Beschlüsse des SG nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Eine solche spezialgesetzliche Regelung trifft freilich § 73a Abs. 8 SGG in der seit dem 01.01.2014 geltenden Fassung. Danach kann gegen die Entscheidungen des Urkundsbeamten nach § 73a Abs. 4 und 5 SGG binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet. Hiermit ist bestimmt, dass die Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) unstatthaft ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 73a RdNr. 12b; Sächsisches LSG, Beschluss vom 10.11.2014 - L 3 AS 681/14 B PKH - unveröffentlicht; für das Nachprüfverfahren bejahend Strassfeld, SGb 2014, 236, 239). Denn “endgültig„ ist gleichbedeutend mit “von letzter, abschließender Gültigkeit, unumstößlich, definitiv„ (vgl. zum Begriff “endgültig„ in § 197 Abs. 2 SGG den Senatsbeschluss vom 02.10.2012 - L 8 AS 727/12 B KO - juris RdNr. 11 mit weiteren Nachweisen).

a) Diese Regelung ist auch auf das vorliegende Verfahren anzuwenden. Denn Änderungen des Verfahrensrechts sind - soweit nichts anderes vorgeschrieben - nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts auch bei bereits anhängigen Verfahren zu beachten, sofern nicht ein verfassungskonform abweichender Geltungswille des Gesetzes festzustellen ist (BSG, Urteil vom 14.04.2011 - B 8 SO 18/09 R - juris RdNr. 13). Eine besondere Übergangsregelung zur abweichenden Behandlung von “Altfällen„ fehlt aber im Gesetz zur Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts (PKH/BerHÄndG). Zwar wird vereinzelt vertreten, dass § 73a Abs. 8 SGG nicht auf die Verfahren anzuwenden ist, in denen über die Bewilligung, Abänderung oder Aufhebung von vor dem 01.01.2014 beantragter PKH zu entscheiden ist, weil eine solche Übergangsregelung zwar nicht in Art. 20 PKH/BerHÄndG, aber dafür in § 40 des Gesetzes betreffend die Einführung der ZPO (ZPOEG) getroffen sei (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.08.2014 - L 2 AS 226/14 B - juris RdNr. 10). Diese Auffassung verkennt aber, dass die Übergangsregelung des § 40 ZPOEG in sozialgerichtlichen Verfahren nicht auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht Geltung beansprucht. Denn der Gesetzgeber hat zwischen den materiell-rechtlichen, in den §§ 114 bis 127 ZPO verankerten Regelungen (wohl nur hierauf bezieht sich der in der o. g. Entscheidung herangezogene Hinweis bei Strassfe...

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