Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein. Vergütungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers. Abschluss eines Vermittlungsvertrages. Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. sozialgerichtliches Verfahren. keine Kostenfreiheit
Leitsatz (amtlich)
1. Anspruchsgrundlage für den von einem privaten Arbeitsvermittler geltend gemachten Vergütungsanspruch ist nicht der dem Arbeitsuchenden erteilte Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein. Vielmehr finden sich die Anspruchsgrundlagen in § 45 Abs 6 S 3 bis 6 SGB III (Bestätigung der Senatsrechtsprechung: LSG Chemnitz vom 19.11.2015 - L 3 AL 192/13 - juris Rdnr. 30).
2. Im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches kann eine Begebenheit tatsächlicher Art, hier der Abschluss eines Vermittlungsvertrages, nicht ersetzt werden.
3. Bei der Vergütung eines privaten Arbeitsvermittlers handelt es sich auch nach der seit 1.4.2012 geltenden Rechtslage um eine solche aus wirtschaftlicher Betätigung und nicht um eine Sozialleistung im Sinne von § 11 SGB I.
4. Ein privater Arbeitsvermittler ist auch nach der seit 1.4.2012 geltenden Rechtslage nicht kostenprivilegiert im Sinne von § 183 SGG.
Normenkette
SGB III § 45 Abs. 6 Sätze 3, 5-6, §§ 421g, 296 Abs. 1 S. 1, § 297 Nr. 1 Alt 3; SGB I §§ 11, 14-15; SGG §§ 183, 197a Abs. 1 S. 1; BGB § 126 Abs. 1, 2 Sätze 1-2
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 26. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst zu
tragen hat.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen ein Urteil des Sozialgerichtes, mit dem ihre Klage auf Zahlung einer Vermittlungsvergütung abgelehnt worden ist.
Die Klägerin, ein privates Arbeitsvermittlungsunternehmen, beantragte am 28. Januar 2013 bei der Agentur für Arbeit S… die Zahlung einer Vermittlungsvergütung in Höhe von zunächst 1.000,00 EUR. Dem Antrag war der dem Beigeladenen ausgestellt Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vom 15. Oktober 2012, eine Vermittlungs- und Beschäftigungsbestätigung der E… Personaldienstleistungen GmbH, der Arbeitgeberin des beigeladenen Arbeitsuchenden, und eine Gewerbeummeldung der Klägerin beigefügt.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. Februar 2013 ab, weil nach den vorliegenden Unterlagen das Beschäftigungsverhältnis nicht durch die Tätigkeit der Klägerin zustande gekommen sei, sondern der Beigeladene bereits im Vorfeld selbst den Kontakt zum potentiellen Arbeitgeber hergestellt habe.
Hiergegen legte die Klägerin am 15. März 2013 Widerspruch ein. Am 13. Februar 2013 wurde der Computervermerk einer Mitarbeiterin der Beklagten vom 22. November 2012 ausgedruckt und zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zur Verwaltungsakte genommen. In den Text dieses Vermerkes war eine E-Mail des Beigeladenen an die Agentur für Arbeit S… vom 18. November 2012 eingefügt, mit der sich der Beigeladene wegen Ärger mit der Klägerin "wg. Vermittlungsgutschein" an die Agentur für Arbeit gewandt hatte. Er gab unter anderem an, dass er davon ausgegangen sei, wegen seiner Bewerbung und nicht auf Vermittlung der Klägerin bei der Arbeitgeberin eigestellt worden zu sein. Außerdem habe er mit der Klägerin keinen Vermittlungsvertrag geschlossen.
Mit Schreiben vom 15. April 2013 forderte die Beklagte die Klägerin zur Vorlage des Vermittlungsvertrages mit dem Beigeladenen auf.
In ihrer Stellungnahme vom 31. Januar 2013 gab die Klägerin an, dass kein Vermittlungsvertrag vorliege. Im Hinweisblatt zum Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein sei vermerkt, dass der Kunde der Agentur für Arbeit keinen Vermittlungsvertrag mit dem Träger/privaten Arbeitsvermittler schließen müsse. Hiervon habe der Beigeladene Gebrauch gemacht.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2013 zurück. Zum einen habe sich der Beigeladene die Arbeitsstelle selbst gesucht. Zum anderen habe er keinen privaten Arbeitsvermittler beauftragt.
Die nunmehr anwaltlich vertretene Klägerin hat am 10. Juli 2013 Klage erhoben und im Wesentlichen ihren bisherigen Sach- und Rechtsvortrag wiederholt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. Juni 2014 abgewiesen. Weder sei der Arbeitsvertrag des Beigeladenen auf Vermittlung der Klägerin zustande gekommen, noch habe die Klägerin im Auftrag des Beigeladenen gehandelt.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 26. Juli 2014 zugestellte Urteil am 21. August 2014 Berufung eingelegt. Ergänzend trägt sie unter anderem vor, dass der fehlerhafte Hinweis zum Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein sie und den Beigeladenen davon abgehalten habe, einen Vermittlungsvertrag schriftlich abzuschließen. Aus diesem Grund sei der Vertrag formunwirksam. Deshalb stehe ihr der Vergütungsanspruch nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu.
Die Klä...