rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisung. Negativer Kompetenzkonflikt. Bindungswirkung. Angelegenheit der Knappschaftsversicherung. Verweisungsbeschluss. Rechtswegverweisung. Gesetzlicher Richter. Spruchkörper. Schlechthin willkürlicher Verweisungsbeschluss. Systemversagen. Nächsthöheres Gericht
Leitsatz (redaktionell)
Gem. § 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 S. 3 GVG sind rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht bindend, an das der Rechtsstreit verwiesen wird. Anders als im Fall der Rechtswegverweisung (§ 17a Abs. 4 S. 3 GVG) ist im Fall der Verweisung wegen angenommener örtlicher Unzuständigkeit der Verweisungsbeschluss unanfechtbar (§ 98 S. 2 SGG).
Normenkette
SGG §§ 58, 47 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 3, §§ 57a, 98; GVG § 17a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 3; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
SG Dresden (Aktenzeichen S 16 KR 1062/04) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass für den vorliegenden Rechtsstreit das Sozialgericht Dresden durch Verweisung zuständig geworden ist.
Gründe
Gegenstand der Anrufung des Sächsischen Landessozialgerichts ist ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen den Sozialgerichten Chemnitz und Dresden. Auf die am 30.12.2002 erhobene Klage des H ... L ... GmbH gegen die Bundesknappschaft Bochum mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, einen Teilbetrag der Krankenhauskosten für einen bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Patienten zu zahlen, hat das angerufene Sozialgericht Chemnitz mit Beschluss vom 28.07.2004 sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Dresden verwiesen. Es handele sich um Streitigkeit auf Grund der Beziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen, mithin um eine Streitigkeit, für welche das Sozialgericht örtlich zuständig sei, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz habe.
Das Sozialgericht Dresden hat daraufhin sich mit Beschluss vom 27.08.2004 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Sächsischen LSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit vorgelegt. Der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz sei willkürlich und entfalte keine Bindungswirkung. Aus dem Beschluss des BSG vom 27.05.2004 - Az. B 7 SF 6/04 S - ergebe sich, dass § 57a SGG ausschließlich Angelegenheiten des Vertragsarztrechtes betreffe, vorliegend handele es sich aber um eine Angelegenheit der Knappschaftsversicherung, für welche nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 10 Abs. 3 SGG i.V.m. Anlage 1 Nr. 15 zu § 1 Abs. 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über gerichtliche Zuständigkeiten das Sozialgericht Chemnitz örtlich zuständig sei. Der Verweisungsbeschluss sei willkürlich, da sich das Sozialgericht nach der entsprechenden Entscheidung des BSG vom 27.05.2004 nicht mehr auf die entgegenstehende Ansicht des LSG Niedersachsen Bremen (Beschluss vom 06. November 2002 - L 4 B 297/02 KR) habe stützen können.
Die Vorlage, mit der letztlich das Vorliegen einer Willkürentscheidung geltend gemacht wird, ist nach § 58 Abs. 2 SGG zulässig, sie führt jedoch nicht zu einer Bestimmung im Sinne des § 58 Abs. 1 SGG.
Der angerufene Senat kann lediglich deklaratorisch feststellen, dass durch den Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Chemnitz die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Dresden begründet wurde. Eine konstitutive Wirkung hat dieser Beschluss nicht. Der Senat hat nicht das Sozialgericht Dresden i.S.d. § 58 Abs. 1 SGG als das zuständige Gericht "bestimmt" und hätte dies für den vorliegenden Rechtsstreit auch nicht getan, wenn er dazu aufgerufen worden wäre.
Gemäß § 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sind rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht bindend, an das der Rechtsstreit verwiesen wird. Anders als im Falle der Rechtswegverweisung (§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG) ist im Falle der Verweisung wegen angenommener örtlicher Unzuständigkeit der Verweisungsbeschluss unanfechtbar (§ 98 Satz 2 SGG). Dies war auch nach § 98 Abs. 2 SGG in der bis zum 31.12.1990 geltenden Fassung so. Rechtsgut der Vorschriften über die Bestimmung des örtlich und sachlich zuständigen Gerichts ist Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach jedermann ein subjektiv öffentliches Recht hat, nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen zu werden. Rechtsgut ist nicht eine "gerechte" Verteilung der Klagen auf die verschiedenen Spruchkörper, etwa unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsbelastung. Wer der gesetzliche Richter ist, wird - auf die Person des Richters bezogen -letzendlich immer durch Geschäftsverteilungspläne geregelt, welche von den Präsidien der Gerichte erstellt werden. Es versteht sich daher, dass der Anspruch des Einzelnen auf "seinen gesetzlichen Richter" nicht personenbezogen zu verstehen ist, sondern auf ein Willkürverbot hinausläuft: Im Zusammenhang mit Artikel 101 Abs. 1 Satz 1 GG, wonach "Ausnahmegerichte unzulässig" sind, geht es in erster Linie darum, dass nicht von Seiten der Exekutive und auch nicht von Seiten anderer Gerichte (vgl. BSGE 2, 213) gewissermaßen "fallbezogen" der...