Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. kein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Diabetes mellitus. sozialgerichtliches Verfahren. Beschränkung des Streitgegenstands. Untersuchungsmaxime. keine Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelleistung für Haushaltsvorstände und allein Lebende deckt den Mindestaufwand für eine Vollkost.
2. Solange ein Verfahrensbeteiligter nicht substantiiert vorträgt, dass Zweifel an Feststellungen, Auffassungen oder Beurteilungen von fachkundigen Stellen (hier: Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge eV) bestehen und sich dem Gericht solche Zweifel auch nicht aufdrängen, muss sich ein Gericht nicht veranlasst sehen, weitere Ermittlungen anzustellen.
3. Die Frage, ob ein Hilfebedürftiger auf Grund einer Erkrankung einer besonderen, kostenintensiven Ernährung bedarf und damit Anspruch auf ernährungsbedingten Mehrbedarf iS von § 21 Abs 5 SGB 2 hat, hängt von den individuellen Verhältnissen des Hilfebedürftigen ab und begründet deshalb keine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung iS von § 144 Abs 2 Nr 1 SGG (Fortführung LSG Chemnitz vom 12.2.2009 - L 3 B 428/08 AS-NZB).
Orientierungssatz
Ein Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gem § 21 Abs 5 SGB 2 ist ein abgrenzbarer Teil des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und kann eigenständig geltend gemacht werden (vgl LSG Chemnitz vom 27.8.2009 - L 3 AS 245/08).
Tenor
I. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 12. November 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Beschwerdeverfahren nicht erstattungsfähig.
Gründe
I.
Die Beschwerde der Klägerin richtet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 12. November 2009, mit dem die Klage auf ernährungsbedingten Mehrbedarf abgelehnt worden ist.
Die Klägerin beantragte am 19. Juli 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Auf dem Formularantrag gab die Klägerin auch an, aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung zu bedürfen. Die behandelnde Ärztin bescheinigte, dass die Klägerin an Diabetes mellitus leide und Diabeteskost benötige, sowie dass die Klägerin an einer Nahrungsmittelallergie/Nahrungsmittelunverträglichkeit leide.
Mit Bescheid vom 8. August 2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 19. Juli 2007 bis 31. Januar 2008. Mehrbedarfe waren darin nicht enthalten.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf ernährungsbedingten Mehrbedarf auf der Grundlage einer von ihr beim Amtsärztlichen Dienst der Stadt C. eingeholten Beurteilung mit Bescheid vom 13. September 2007. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. April 2008 zurück.
Bereits am 10. Januar 2008 hatte die Klägerin einen Fortzahlungsantrag gestellt, worauf hin die Beklagte ihr für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 31. Juli 2008 Arbeitslosengeld II erneut ohne ernährungsbedingten Mehrbedarf, bewilligte.
Die Klägerin hat am 20. April 2008 Klage erhoben. In dem vom Sozialgericht angeforderten Befundbericht hat die behandelnde Ärztin angegeben, dass die Klägerin an Diabetes mellitus Typ II, Funktionsbehinderung des Wirbelsäule mit chronischerm Schmerzsyndrom, Gonarthrose beidseits mit Schmerzsymptomatik sowie Ödemen an den Händen und den Unterschenkeln leide. Der Diabetes mellitus sei mit strenger Diät ohne Medikation führbar. Daraus folge eine Ersparnis für die Krankenkasse bezüglich medizinischer Therapien und Folgebehandlungen einerseits und ein höherer Kostenaufwand für die Patientin für die Ernährung andererseits. Die Patientin müsse auf zuckerhaltige Nahrungsmittel beziehungsweise kohlehydratreiche Kost unter Berücksichtigung der Ödeme verzichten. Sie müsse aus Grundnahrungsmitteln sich eine der Krankheit entsprechende Kost selbst zubereiten.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 12. November 2009 abgewiesen. Die Berufung hat es nicht zugelassen. Das Sozialgericht hat die im Oktober 2008 in 3. Auflage erschienenen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe als antizipiertes Sachverständigengutachten angesehen. Nach diesen Empfehlungen würden die bei der Klägerin bestehenden Erkrankung an Diabetes mellitus Typ II sowie die vorhandenen Ödeme lediglich eine gesunde Vollkost erfordern. Deren Beschaffung verursache keine erhöhten Kosten. Durch den Verzicht auf bestimmte Lebensmittel könnten ebenfalls keine erhöhten Kosten entstehen. Dies werde durch die amtsärztliche Beurteilung gestützt. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergäben sich keine Hinweise auf Besonderheiten, die die Notwendigkeit einer weiteren, insbesondere medizinischen Klä...