Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Leistungen des BAföG bei der Bewilligung von Leistungen des SGB 2
Orientierungssatz
1. Die Leistungen nach dem BAföG sind bei der Bewilligung von Leistungen des SGB 2 insoweit nicht als Einkommen zu berücksichtigen, als sie zur Ausbildung gewährt werden.
2. Als teilweise zweckbestimmte Einnahme i. S. von § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB 2 ist bei der BAföG-Leistung der Anteil zu bestimmen, der auf die Ausbildung entfällt und damit nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist.
3. Im Einzelfall ist eine Aufteilung der auf den Unterhalt und auf die Ausbildung entfallenden Anteile vorzunehmen. Nur dann, wenn dies nicht möglich ist, kommt eine pauschalierende Festlegung des Ausbildungsanteils der Ausbildungsförderung durch die Behörde in Betracht.
4. Erreichen die zu zahlenden Schulkosten und Fahrtkosten den BAföG-Leistungsbetrag, so ist bei der Bewilligung von Leistungen des SGB 2 kein Einkommen zu berücksichtigen.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 30. Mai 2007 dahingehend abgeändert, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet wird, den Beschwerdegegnern vorläufig bis zur Entscheidung im Widerspruchsverfahren für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.07.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 1037,00 €/Monat zu bewilligen. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdeführerin trägt sechs Siebtel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegner.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.07.2007. Kern der streitigen Frage ist, ob bei der Berücksichtigung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesgesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) als Einkommen nach § 11 SGB II eine generelle Pauschalierung des Ausbildungsbedarfes ohne die Möglichkeit des Nachweises des konkreten Ausbildungsbedarfes rechtmäßig ist.
Die Beschwerdegegnerin zu 1) (Bg. zu 1) ist die Mutter der 1988 und 1994 geborenen Beschwerdegegner zu 2) und 3) (Bg. zu 2 und 3), welche gemeinsam in einer Wohnung leben. Die Bg. zu 1) bezieht ein monatliches Einkommen von 162,00 €. Für die Bg. zu 2) und 3) wird jeweils monatlich Kindergeld i.H.v. 154,00 € gezahlt.
Der volljährige Bg. zu 2) absolvierte vom 29.08.2005 bis 20.07.2007 eine Ausbildung beim Bildungszentrum für informationsverarbeitende Berufe gGmbH, einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Informatik in D., mit dem Ziel des Abschlusses als “Staatlich geprüfter Assistent für Wirtschaftsinformatik„. Er schloss mit dem Bildungszentrum eine Vereinbarung, wonach er Systemnutzungsgebühren i.H.v. 4.200,00 € (175,00 €/Monat) abführen musste. Darin war das Schulgeld enthalten. Er erhielt monatlich 192,00 € Leistungen nach dem BAföG.
Die Bg. beantragten am 19.03.2007 die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab 01.05.2007. Die Bf. bewilligte mit Bescheid vom 16.04.2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.05.2007 Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 30.06.2007 i.H.v. 883,22 € und für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 31.10.2007 i.H.v. 889,22 €/Monat. Dabei wurden von den vom Bg. zu 2) bezogenen Leistungen nach dem BAföG 153,60 € monatlich als Einkommen berücksichtigt. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Bg..
Die Bg. haben am 30.04.2007 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Dresden (SG) gestellt. Die Leistungen nach dem BAföG könnten nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Sie würden ausschließlich verwendet, um die mit der Ausbildung verbundenen Kosten zu decken. So werde der Betrag fast vollständig für die Tilgung des Schulgelds verbraucht. Es handele sich damit um eine zweckgerichtete Einnahme, die gemäß § 11 Abs. 3 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Zudem seien Fahrtkosten in Abzug zu bringen.
Das SG hat mit Beschluss vom 30.05.2007 die Bf. im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Bg. als Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.07.2007 monatlich Leistungen nach dem SGB II i.H.v. insgesamt 1.063,00 € vorläufig zu zahlen und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen. Die Bg. hätten insgesamt einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 1.063,00 €/Monat. Die monatliche Regelleistung für die Bg. zu 1) betrage 345,00 €, für den Bg. zu 2) 276,00 € und für den Bg. zu 3) 207,00 €. Zudem habe die Bg. zu 1) Anspruch auf Mehrbedarf wegen Alleinerziehung i.H.v. 41,00 €/Monat. Nach § 22 SGB II ergebe sich ein Bedarf für Unterkunft und Heizung i.H.v. 525,55 €. Daher sei ein Gesamtbedarf von 1.394,55 € zu berücksichtigen.
Dieser Gesamtbedarf sei um das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gemäß § 19 Abs. 3 SGB II zu vermindern. Die Bg. zu 1) beziehe ein monatliches Einkommen von 162,00 €. ...