Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Streitwertfestsetzung. anderweitige Erledigung iS von § 63 Abs 2 S 1 GKG. Aufhebung eines verfrüht ergangenen Streitwertfestsetzungsbeschlusses. Ruhen des Verfahrens. Kostengrundentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine anderweitige Erledigung im Sinne von § 63 Abs 2 S 1 GKG ist gegeben, wenn das Verfahren im prozessrechtlichen Sinne erledigt ist. Dies ist zum Beispiel der Fall bei einem widerrufsfreien oder nicht mehr unter einem Widerrufsvorbehalt stehenden Prozessvergleich, einem angenommenen Anerkenntnis, einer Klagerücknahme, einer Rücknahme der Berufung oder der Revision oder übereinstimmenden Erledigungserklärungen. Demgegenüber tritt keine anderweitige Erledigung ein durch eine Unterbrechung, eine Anordnung der Aussetzung oder eine Anordnung des Ruhens des Verfahrens.
2. Ein verfrüht ergangener endgültiger Beschluss über die Streitwertfestsetzung ist aufzuheben.
Normenkette
GKG § 63 Abs. 2 S. 1; ZPO §§ 249, 251; SGG § 197a
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beklagten vom 28. September 2011 wird der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 15. September 2011 aufgehoben.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beklagte wendet sich gegen einen Streitwertbeschluss.
Im Hauptsacheverfahren streiten die Beteiligten um Leistungen der Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) als Leistung zur Eingliederung in Arbeit nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Der Kläger erstrebt die Verpflichtung des Beklagten, ihm eine weitere verstärkte Förderung in Höhe von 3.398,15 EUR zu bewilligen. In der Eingangsverfügung hat der Kammervorsitzende festgehalten, dass es sich um einen Fall nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) handle. Er hat am 9. Oktober 2008 den vorläufigen Streitwert auf 3.398,15 EUR festgesetzt.
Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 hat das Sozialgericht auf übereinstimmende Anträge der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Beschluss vom 15. September 2011 hat es “auf Grund anderweitiger Erledigung„ eine Streitwertfestsetzung in Höhe von 3.378,21 EUR vorgenommen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten vom 28. September 2011. Er ist der Auffassung, dass die Festsetzung der Prozesskosten nach Streitwert dann zulässig sei, wenn der Kläger nicht zu dem mit § 183 SGG privilegierten Personenkreis gehöre. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall.
Der Beklagte beantragt
den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 15. September 2011 zur Festsetzung der Prozesskosten nach Streitwert aufzuheben und somit festzustellen, dass in dem Klageverfahren Az. S 15 AS 3574/08 Kostenfreiheit nach § 183 SGG vorliegt.
Der Kläger hat sich nicht zur Beschwerde geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist sachdienlich dahingehend auszulegen (vgl. § 123 SGG), dass der Beklagte begehrt, den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 15. September 2011 aufzuheben. Nur durch diesen Streitwertbeschluss ist er derzeit beschwert. Wenn entgegen § 123 SGG am Wortlaut des Antrages festgehalten würde, würde das Rechtsschutzbegehren auf einen unzulässigen vorbeugenden Rechtsschutz in Bezug auf die Frage der Kostenfreiheit nach § 183 SGG hinauslaufen.
2. Die solchermaßen beschriebene Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil es bislang an einer Kostengrundentscheidung fehlt und daher dem Beschwerdeführer eine Kostenpflicht noch nicht auferlegt ist. Eine Beschwerdebefugnis ist hier anzuerkennen, weil zu besorgen ist, dass nach dem - späteren - Ergehen einer Kostengrundentscheidung, die zu Lasten des Beschwerdeführers ausfallen kann, die Entscheidung über den Streitwert bereits rechtskräftig geworden ist. Dem Beschwerdeführer wäre damit die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes verwehrt.
3. Die Beschwerde ist auch begründet. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger dem privilegierten Kreis der von Gerichtskosten befreiten Beteiligten im Sinne von § 183 SGG angehört.
a) Sofern der Kläger, wie der Beklagte vertritt, dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis angehört, gibt es bereits dem Grunde nach keine Rechtsgrundlage, die zu einer Streitwertfestsetzung ermächtigen würde.
b) Sofern der Kläger hingegen dem Kreis der nicht kostenprivilegierten Beteiligten zuzuordnen wäre, wäre die endgültige Streitwertfestsetzung verfrüht.
Das Gerichtskostengesetz (GKG) ist für Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach dem Sozialgerichtsgesetz anzuwenden, soweit nach diesem Gesetz, dem Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtskostengesetz anzuwenden ist (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG). Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG werden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört, Kosten nach den Vor...