Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Beschwerdeverfahren. Berücksichtigung nachträglicher Änderungen des Klagegegenstandes. Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Beseitigung der Folgen ehrverletzender Äußerungen im Bereich der hoheitlichen Verwaltung. Eröffnung des Sozialrechtswegs
Leitsatz (amtlich)
Im Beschwerdeverfahren gem § 17a Abs 4 S 3 GVG gegen einen Rechtswegverweisungsbeschluss sind nachträgliche Veränderungen des Klagegegenstandes zu berücksichtigen. Wird der ursprüngliche Hauptantrag auf Geldentschädigung zurückgenommen, ist der Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit, hier: Landgericht, nicht mehr zulässig, wenn für das nunmehr als Hauptantrag, früher nur hilfsweise geltend gemachte Begehren der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist.
Orientierungssatz
Zur Eröffnung des Sozialrechtswegs bei der Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Beseitigung der Folgen ehrverletzender amtlicher Äußerungen im Bereich der hoheitlichen Verwaltung.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist eine Rechtswegverweisung an das Landgericht Leipzig streitig.
Die Klägerin übt eine freiberufliche Tätigkeit (Mediengestaltung Digital/Print und Projektmanagement) aus. Sie bezieht aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), im Zeitraum vom 01.04.2018 bis 30.09.2018 in Höhe von 208,31 EUR monatlich. Nach Einreichen der abschließenden Angaben setzte der Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.04.2019 die Leistungen endgültig fest. Dabei ging er von einem monatlichen Gewinn der Klägerin von 852,65 EUR monatlich brutto aus. Es ergab sich ein überzahlter Betrag von 43,96 EUR monatlich, dessen Erstattung der Beklagte von der Klägerin begehrte.
Am 02.05.2019 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Leipzig (Az. S 17 AS 1035/19). Sie beantragte:
"1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 18.12.2018 und unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 18.12.2018, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2019 verpflichtet, an die Klägerin im Zeitraum vom 01.04.2018 bis 30.09.2018 monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 270,80 EUR zu bewilligen, unter Berücksichtigung vorläufig bewilligter Leistungen also weitere 62,49 EUR monatlich.
2. Der Beklagte hat es zu unterlassen, die Klägerin mit 'Herr Y....' oder mit dem Zusatz 'vormals Y....' oder 'bis zur Änderung gemäß PStG: Y....' anzuschreiben oder anzusprechen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine angemessene Geldentschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,
hilfsweise für den Fall der Ablehnung einer Geldentschädigung:
Der Beklagte wird verpflichtet, gegenüber der Klägerin eine Erklärung dazu abzugeben, dass er sich rechtswidrig verhalten hat, indem er sie nach dem 11.09.2018 mit 'Herr Y....' oder mit dem Zusatz 'vormals Y....' oder 'bis zur Änderung: Y....' angeschrieben hat und in diese Erklärung eine angemessene Entschuldigung aufzunehmen."
Mit Schreiben vom 10.10.2019 hat das Sozialgericht um Klärung des Streitgegenstandes gebeten und ausgeführt: "Für den Fall, dass die Anträge Nr. 2 und 3 (…) aufrechterhalten werden, wäre deren Verweisung beabsichtigt. Für den Antrag Nr. 2 und den Hilfsantrag zu Nr. 3 dürfte der Verwaltungsrechtsweg, für den Hauptantrag Nr. 3 der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sein (Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB). Der Hilfsantrag Nr. 3 kann schon deshalb nicht hilfsweise gestellt werden, da für den Haupt- und Hilfsantrag verschiedene Rechtswege einschlägig sein dürften. Schließich ist für den Hilfsantrag keine Anspruchsgrundlage ersichtlich - für vergangene Beeinträchtigung der Ehre dürfte es allenfalls Schmerzensgeld geben."
Der Beklagte erhielt dieses Schreiben ebenfalls zu Kenntnis. Die Klägerin erhielt ihre Anträge aufrecht.
Mit Beschluss vom 13.03.2020 hat das Sozialgericht die Klage hinsichtlich der Anträge zu 2 und 3 jeweils abgetrennt. Die Klage hinsichtlich des Haupt- und Hilfsantrages zu 3 hat es unter dem neuen Az. S 17 AS 733/20 weitergeführt.
Mit Beschluss vom 22.04.2020 hat das Sozialgericht den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Leipzig verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Hauptantrag werde ein Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 Satz 3 Grundgesetz (GG), § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), geltend gemacht, für den ausschließlich die Landgerichte zuständig seien, §§ 17 Abs. 2 Satz 2, 71 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Der Hilfsantrag sei von der Verweisung umfasst. Er teile das Schicksal des Hauptantrages, unabhängig davon, welcher Rechtsweg "eigentlich" für ihn gegeben sei.
Der Beschluss ist der Klägerin am 10.06.2020 zugestellt worden. Gegen diesen wendet sich die Klägerin...