Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufhebung der Leistungsbewilligung. Umzug des Leistungsberechtigten. Wechsel der örtlichen Zuständigkeit. Erreichbarkeit. Weitergewährung der Leistungen bis zur Fortsetzung der Leistungserbringung durch die nunmehr zuständige Behörde
Leitsatz (amtlich)
Nach einem umzugsbedingten Wechsel der örtlichen Zuständigkeit ist der bisher örtlich zuständige Leistungsträger nicht berechtigt, aufgrund eines angenommenen Wegfalls der Erreichbarkeit die von ihm bewilligten Leistungen vor Fortsetzung der Leistungserbringung durch den nunmehr zuständigen Leistungsträger aufzuheben, soweit der erwerbsfähige Leistungsberechtigte für den örtlich zuständig gewordenen Leistungsträger erreichbar ist.
Tenor
I. Das Jobcenter Leipzig wird zum Verfahren beigeladen.
II. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 8. März 2024 wird mit der Maßgabe, dass die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 12. Januar 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2024 ( W 314/24 ) angeordnet wird, zurückgewiesen.
III. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Im Streit ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Leistungen) nach einem Umzug in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen.
Der Antragsgegner bewilligte dem 1972 geborenen Antragsteller zuletzt für Januar bis Mai 2024 monatlich 766,14 €(Bescheid v. 16.12.2023 unter Abänderung des Bescheids v. 30.05.2023) . Dabei berücksichtigte er bei der Berechnung der Leistungen 563,- € als Regelbedarf und 203,14 € als "KdU"(vgl. Anlage zum vorgenannten Bescheid) .
Am 09.01.2024 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, er sei zum 01.01.2024 nach A.... umgezogen(Schreiben v. 05.01.2024 nebst Meldebescheinigung v. 04.01.2024) .
Der Antragsgegner hob die Bewilligung von Leistungen ab Februar 2024 auf(Bescheid v. 12.01.2024) und wies den dagegen vom Antragsteller erhobenen Widerspruch gegen die Aufhebung der "Regelleistungen"(Schreiben seines Bevollmächtigten v. 14.02.2024) zurück(Widerspruchsbescheid v. 28.03.2024, W 314/24 ) . Dagegen erhob der Antragsteller nach eigenen Angaben beim Sozialgericht Leipzig (SG) am 02.04.2024 Klage(vgl. Schreiben seines Bevollmächtigten v. 19.04.2024, S. 2; danach Az. des SG: S 9 AS 397/24 ) .
Für Januar 2024 hob der Antragsgegner nach Anhörung des Antragstellers(Schreiben v. 15.01.2024) die Bewilligung der "Leistungsart KdU" auf und setzte den von ihm zu erstattenden Betrag auf 203,14 € fest(Bescheid v. 25.01.2024) .
Am 22.02.2024 hat der Antragsteller beim SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12.01.2024 beantragt(Schreiben seines Bevollmächtigten v. selben Tag) . Das SG hat die aufschiebende Wirkung "im Hinblick auf die Regelleistung in Höhe von monatlich 563,00 EUR für Monate Februar 2024 - Mai 2024 angeordnet"(Beschluss v. 08.03.2024) . Der Umzug des Antragstellers sei keine rechtserhebliche Änderung für die Aufhebung der bewilligten Leistungen. Der Fortfall der örtlichen Zuständigkeit des Antragsgegners bis zur hier noch nicht erfolgten Fortsetzung der Leistungen durch den Beigeladenen genüge hierfür nicht. Die mangelnde Erreichbarkeit des Antragstellers für den Antragsgegner sei ebenso kein Grund für die Aufhebung der Regelleistung.
Der Antragsgegner setzte den - ihm am 11.03.2024 zugestellten - Beschluss um(Schreiben v. 12.03.2024 an den Bevollmächtigten des Antragstellers) und informierte darüber den Beigeladenen(E-Mail v. 11.03.2024) . Danach bewilligte der Beigeladene dem Antragsteller auf Antrag vom 08.01.2024 für Januar bis Mai 2024 monatlich 331,24 € als "KdU"; die "Regelleistungen für Januar bis Mai 2024" erhalte er "laut Urteil des Sozialgerichts" vom Antragsgegner(Bescheid v. 13.03.2024 nebst Anlage) .
Der Antragsgegner hat am 03.04.2024 beim erkennenden Gericht Beschwerde gegen den Beschluss vom 08.03.2024 eingelegt(Schreiben v. selben Tag) . Der Antragsteller sei aufgrund seines Umzugs bei ihm von Leistungen ausgeschlossen, da er seine Dienststelle nicht mehr innerhalb von zweieinhalb Stunden erreichen könne. Eine geänderte Begründung für die Aufhebung während des Vorverfahrens sei zulässig.§ 2 Abs. 3 SGB X stehe der Aufhebung nicht entgegen. Auf den weiteren Inhalt seines Vorbringens wird Bezug genommen(Schreiben v. 03.04.2024 und 06.05.2024) .
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 08.03.2024 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerde sei unzulässig, da dem Antragsgegner ein Erstattungsanspruch gegen den Beigeladenen zustehe, auch wenn er diesen bisher nicht geltend gemacht habe und nach den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich des Regelbedarfs nicht geltend zu machen sei. Jedenfalls s...