Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Untätigkeitsklage. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. sachliche Bescheidung eines Antrags. Verweis auf früheren Bescheid in behördlichem Schreiben. Anspruch auf Bescheidung. Ausnahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. "Sachlich bescheiden" bedeutet nicht, dass einem Antrag stattgegeben werden muss, wohl aber dass in der Sache eine Entscheidung getroffen wird und sei es, dass der Antrag als unzulässig abgelehnt wird (Anschluss an BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 36/02 R = SozR 4-1500 § 88 Nr 1).

2. Ein behördliches Schreiben, in dem lediglich auf einen früheren Bescheid verwiesen wird, ist keine Bescheidung eines Überprüfungsantrages.

3. Für eine Untätigkeitsklage ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Kläger einen Anspruch in der Sache selbst hat oder ob der beantragte Bescheid materiell-rechtliche Auswirkungen für ihn hat. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, steht es dem Kläger grundsätzlich frei, eine Bescheidung zu verlangen.

4. Zur Frage, ob eine Ausnahme von einem Anspruch auf Bescheidung eines Antrages zuzulassen ist, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinen denkbaren Umständen bestehen kann.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 24. Februar 2023 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Überprüfungsantrag des Klägers vom 25. Juni 2020 zu bescheiden.

II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem seine Untätigkeitsklage abgewiesen wurde.

Die Beklagte hatte unter dem 18. April 2016 gegenüber dem Kläger zwei Bescheide erlassen. Mit dem einen hob sie die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 16. Februar 2016 auf. Mit dem zweiten machte sie eine Erstattungsforderung in Höhe von 1.115,10 EUR geltend. Dagegen betrieb der Kläger zunächst ein Klageverfahren unter dem Az.: S 9 AL 315/16 und nachfolgend eine Nichtzulassungsbeschwerde unter dem Az.: L 3 AL 93/19 NZB. Später erhob der Kläger erfolglos eine Wiederaufnahmeklage (Az.: S 5 AL 81/22 WA); das Berufungsverfahren hierzu ist beim erkennenden Senat unter den Az.: L 3 AL 51/22 anhängig.

Mit Mahnschreiben vom 19. Mai 2017 forderte die Beklagte den Kläger unter Fristsetzung zur Zahlung einer Forderung in Höhe von 1.121,10 EUR auf und setzte zugleich eine Mahngebühr in Höhe von 6,00 EUR fest. Auf den Widerspruch des damals anwaltlich vertretenen Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 18. Juli 2017 die Entscheidung über die Festsetzung der Mahngebühr auf. Damit sei den Widerspruch in vollem Umfange entsprochen worden.

Die Beklagte erließ am 21. April 2020 ein neues Mahnschreiben, dass dem früheren vom 19. Mai 2017 entsprach.

Der nunmehr nicht mehr vertretene Kläger stellte am 9. Juni 2020 einen Überprüfungsantrag zum Mahnschreiben vom 19. Mai 2017 "wegen ihrer Rechtsverletzung hemmender Wirkung". Zugleich forderte er die Beklagte auf, "diese Mahnung und die Mahngebühr von 6,- € zurückzunehmen." Es sei auffällig, dass die Beklagte auch aktuellen dieses Recht wiederholend verletze.

Die Beklagte richtete an den Kläger mit Schreiben vom 16. April 2020 eine Zahlungsaufforderung. Nach dem Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichtes vom 26. Februar 2020 [gemeint ist der Beschluss zur Nichtzulassungsbeschwerde Az.: L 3 AL 93/19 NZB] habe er einen Betrag in Höhe von 1.115,10 EUR zu erstatten.

Am 25. Juni 2020 stellte der Kläger einen weiteren Überprüfungsantrag zu dem Mahnschreiben. Ergänzend trug er vor, dass die Mahnung auch inhaltlich unsachlich rechtswidrig sei, "wenn laufende Verfahren in der Wahrheitsfindung bis final aktiv sind." Er forderte die Beklagte auf, zukünftig derartige Rechtsverletzungen zu unterlassen.

Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 8. Juli 2020 auf den Abhilfebescheid vom 18. Juli 2017, welcher an den Klägerbevollmächtigten übersandt worden sei. Dem Schreiben war ein Ausdruck des Abhilfebescheides beigefügt.

Der Kläger beantragte am 22. August 2021 den Erlass der Forderung aus dem Bescheid vom 18. April 2016.

Der Kläger hat am 7. Juli 2020 Untätigkeitsklage erhoben.

Die Beklagte hat erwidert, dass der Kläger mit seinem Überprüfungsantrag die Rücknahme von Mahngebühren begehre. Seitens der Beklagten seien jedoch keine Mahngebühren erlassen worden.

In der DE-Mail vom 20. Oktober 2021 hat der Kläger gefordert, die Mahnung mit Mahngebühr "wegen Betrug durch die hier beklagte Agentur für Arbeit und den Verfahren L 3 AL 75/21 B ER nach S 9 AL 118/20 ER, durch den Beklagten als gegenstandslos, zu erklären." Mit DE-Mail vom 25. April 2022 hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, "in Klagebezug ein Bescheid zu erstellen".

Auf den Hinweis des Sozialgerichtes, dass Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis der Klage bestünden, hat der Kläger erklärt, dass für ihn nicht erkennbar sei, dass die "Mahnung" und die "Frist" durch die Beklagte aufgehoben oder annulliert worden sei....

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge