Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. fehlendes Rechtsschutzbedürfnis und fehlender Anordnungsanspruch. Grundsicherung für Arbeitsuchende. fehlende Mitwirkung. Bedarfsgemeinschaft. Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Entscheidung auf der Grundlage der materiellen Beweislast
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses, wenn über einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner bisher deshalb nicht entschieden worden ist, weil die Antragstellerin und der mit ihr eine Wohnung teilende Partner im Rahmen des Bewilligungsverfahrens Fragen zum Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht beantwortet und angeforderte Unterlagen zu den Einkommens- und Vermögenverhältnissen nicht vorgelegt haben.
2. Zu den Voraussetzungen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II.
3. Wenn infolge unzureichender Mitwirkung der Antragstellerin und ihres Partners die möglichen Ermittlungsmaßnahmen zur Hilfebedürftigkeit ausgeschöpft sind, kann eine Entscheidung auf der Grundlage der materiellen Beweislast erfolgen.
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 6. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtschutzverfahrens über die vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab dem 01.09.2016, insbesondere jedoch über die Frage, ob zwischen der Antragstellerin und F… eine eheähnliche Gemeinschaft besteht.
Die 1967 geborene Antragstellerin steht im dauernden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Antragsgegner. Sie bewohnt seit 2012 eine gemeinsame Wohnung mit dem 1968 geborenen F... Die Antragstellerin gab in den Anträgen vom 31.05.2012, 25.10.2012, 10.04.2013, 19.07.2013, 13.01.2014 und 03.01.2015 gleichlautend an, mit F... eine Bedarfsgemeinschaft zu bilden. Der Antragsgegner nahm daher seit 2012 die Bewilligung von Leistungen unter Annahme einer mit F… bestehenden Bedarfsgemeinschaft vor.
Am 02.08.2016 stellte die Antragstellerin einen Weiterbewilligungsantrag beim Antragsgegner. Sie gab nunmehr an, sie lebe mit einer weiteren Person in einem gemeinsamen Haushalt, die jedoch nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehöre. Der Antragsgegner forderte die Antragstellerin und F... mit mehreren Schreiben zur Übersendung der Einkommensnachweise von F... auf. Insbesondere wurde der Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld angefordert. Dem sind weder die Antragstellerin noch F... bisher nachgekommen.
Am 24.10.2016 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Leipzig (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Am 15.11.2016 hat das SG F... befragt. Bezügliche der Einzelheiten seiner Einlassung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 06.12.2016 abgelehnt. Der Antragsgegner habe bisher noch keinen Bescheid über den Leistungszeitraum ab 01.08.2016 erlassen. Das SG teile die Ansicht des Antragsgegners, dass vor Vorlage aller maßgeblichen Unterlagen keine Entscheidung des Antragsgegners getroffen werden könne. Nach Überzeugung des SG stehe fest, dass die Antragstellerin und F... eine Bedarfsgemeinschaft bildeten. Zwischen der Antragstellerin und F... bestehe eine Partnerschaft. So habe die Antragstellerin am 31.01.2015 von "Verdienstabrechnungen meines Lebensgefährten" gesprochen. Weiterhin habe sie im Weiterbewilligungsantrag vom 03.01.2015 angegeben, in ihrem Haushalt lebe eine weitere Person, die zu ihrer Bedarfsgemeinschaft gehöre. Ein anderes Bild habe sich auch nicht aus der Befragung von F... ergeben. Dieser habe sehr vorsichtig ausgedrückt, aber doch eingeräumt, er und die Antragstellerin mochten einander. Tatsachen, die die gesetzliche Vermutung des § 7 Abs. 3 a) SGB II widerlegen könnten, habe er nicht geschildert. Angesichts dessen gehe das SG von einer zwischen der Antragstellerin und F... bestehenden eheähnlichen Gemeinschaft aus. Eine Leistungsbewilligung könne erst erfolgen, wenn alle zu der Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen vollständige Angaben zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht hätten. Dies sei bisher nicht erfolgt. Ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin bestehe daher nicht.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 08.12.2016 zugestellten Beschluss hat dieser am selben Tag Beschwerde beim SG eingelegt, die am 16.12.2016 beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) eingegangen ist. Das SG habe F... W... ausschließlich Fragen zum Bestehen einer Partnerschaft, nicht hingegen einer Wirtschaftsgemeinschaft gestellt. Es sei daher nicht von einem gemeinsamen Haushalt auszugehen. Die Weigerung von F..., seine Einkommens- und...