Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. sofortige Vollziehbarkeit von Verwaltungsakten. sozialgerichtliches Verfahren. keine aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage auch gegen den Erstattungsbescheid. Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen Bedenken hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Gem § 86a Abs 2 Nr 4 SGG iVm § 39 Nr 1 SGB 2 haben nicht nur Widerspruch und Klage gegen die Aufhebungsentscheidung, sondern auch Widerspruch und Klage gegen die hieraus resultierende Erstattungsentscheidung keine aufschiebende Wirkung.
2. Zur Anwendung von § 40 Abs 2 SGB 2.
Orientierungssatz
Ist die Aufhebung der Leistungsbewilligung gem § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 und die folgende Erstattungsforderung nach § 50 SGB 10 zwar nicht zu beanstanden, begegnet aber die Höhe der Erstattungsforderung im Hinblick auf § 40 Abs 2 SGB 2 Bedenken, so kann die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gem § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG angeordnet werden.
Tenor
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 29.10.2007 wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 01.10.2007 gegen den Bescheid der Beschwerdeführerin vom 01.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2007 (W 11599/07) wird hinsichtlich einer 125,65 EUR übersteigenden Erstattungsforderung angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag vom 01.10.2007 auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt und die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin die außergerichtlichen für beide Rechtszüge zu einem Viertel zu erstatten.
III. Der Beschwerdegegnerin wird mit Wirkung ab dem 19.12.2007 für das Beschwerdeverfahren ratenfrei Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer im Rubrum bezeichneten Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch darüber, ob das Sozialgericht Leipzig (SG) zutreffend festgestellt hat, dass die gegen die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Beschwerdeführerin (Bf.) gemäß Bescheid vom 01.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2007 gerichtete Klage insoweit aufschiebende Wirkung entfaltet, als von der Beschwerdegegnerin (Bg.) die Erstattung eines Betrages i. H. v. 173,46 EUR für Mai 2007 gefordert wird.
Die Beschwerdeführerin bewilligte der aus drei Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft der Beschwerdegegnerin mit Bescheid vom 12.04.2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 30.09.2007 i. H. v. insgesamt 1.198,43 EUR monatlich. Hiervon entfielen auf die Bg. monatlich 452,47 EUR, davon auf die Kosten der Unterkunft - ohne Heizung und Warmwasser - 129,95 EUR.
Am 30.04.2007 wurde der Bf. durch einen Dritten bekannt, dass die Bg. im April 2007 Erbschaftsansprüche i. H. v. 7.134,29 EUR ausgezahlt bekommen habe. Am 03.05.2007 erfolgte diesbezüglich eine persönliche Vorsprache der Bg. bei der Bf., in welcher erstere zur Vorlage von Nachweisen im Zusammenhang mit der zugeflossenen Erbschaft aufgefordert wurde. Bei einer weiteren persönlichen Vorsprache der Bg. bei der Bf. am 24.05.2007 legte die Bg. ein Schreiben des mit der Durchführung des den Erbanspruch betreffenden Rechtsstreits beauftragten Rechtsanwalts, auf dessen Konto der vorgenannte Betrag gezahlt worden war, vom 18.05.2007 vor, wonach dieser den nach Abzug seiner Gebühren verbliebenen Betrag von 5.507,56 EUR an die Bg. ausgezahlt hat. Nach den Kontobelegen der Bg. ging der letztgenannte Betrag am 23.04.2007 bei dieser ein. Nach einer Erklärung der in M. lebenden Tante der Bg. vom 15.05.2007 hatte diese der Bg. 5.200,00 EUR geliehen. Sie wolle ihr Geld gerne zurück haben. Am 15.05.2007 sei die Rechnung beglichen worden.
Am 31.05.2007 meldete die Bf. gegenüber der Bundesagentur für Arbeit (BA) für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 31.05.2007 einen Erstattungsanspruch i. H. v. 1.485, 00 EUR (monatlich je 742,50 EUR) an, den die BA anerkannte. Der entsprechende Anspruch auf Arbeitslosengeld wurde demgemäß von der BA nicht dem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ausgezahlt, sondern der Bf. überwiesen
Mit - hier nicht streitbefangenem - Bescheid vom 01.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2007 (W 11596/07, W 11597/0ß7 und W 11598/07) entschied die Bf. dahin, dass die Leistungsbewilligung für die Monate April und Mai 2007 i. H. von insgesamt 742,50 EUR (gegenüber der Bg. i. H. v. 254,05 EUR) aufzuheben sei; der entsprechende Erstattungsbetrag sei jedoch nicht von den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu erstatten, sondern durch die BA als vorrangig verpflichtetem Leistungsträger bereits erstattet worden.
Die Bg. ermittelte unter Berücksichtigung des der Bedarfsgemeinschaft zugestandenen Arbeitslosengeldes und fiktiver Beiträge für freiwillige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 30.11.2007 einen fiktiven Bedarf i. H. v. 703,16 EUR für die Bedarfsgemeinschaft. Nach Berech...