Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlegungsantrag nach Mandatsniederlegung. Rentenüberleitung. Verfassungsmäßigkeit. Steigerungssatz für Mitarbeiter im Gesundheitswesen der DDR. Rentenanpassung. aktueller Rentenwert (Ost). Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse in den neuen und alten Bundesländern. Systementscheidung
Orientierungssatz
1. Zwar kann eine Mandatsniederlegung eines Prozessbevollmächtigten ein wichtiger Grund iS des § 227 Abs 1 ZPO sein, jedenfalls dann, wenn der Beteiligte nicht mehr rechtzeitig einen neuen Bevollmächtigten bestellen kann (vgl BSG vom 25.1.1974 - 10 RV 375/73 = SozR 1750 § 227 Nr 1), denn der neue Bevollmächtigte muss ausreichend Zeit haben, sich einzuarbeiten (vgl BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 8/02 R sowie vom 25.2.2010 - B 11 AL 113/09 B). Der Verlegungsantrag darf jedoch abgelehnt werden, wenn der Beteiligte es versäumt hat, den neuen Bevollmächtigten rechtzeitig zu bestellen (vgl BSG vom 27.10.1955 - 4 RJ 6/54 = BSGE 1, 280). Dabei wirkt ein Verschulden des Bevollmächtigten grundsätzlich wie ein Verschulden des Beteiligten selbst (§ 202 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO).
2. Zur Verfassungsmäßigkeit der unterbliebenen rentenwerterhöhenden Berücksichtigung des Steigerungssatzes für Zugangsrentner nach dem 31.12.1996, die als Mitarbeiter im Gesundheitswesen der DDR tätig waren.
3. Zur Verfassungsmäßigkeit der Rentenanpassung zum 1.7.2000 und der unterbliebenen Rentenanpassung zum 1.7.2004 (vgl BVerfG vom 26.7.2007 - 1 BvR 824/03 ua = BVerfGK 11, 465 = SozR 4-2600 § 68 Nr 2).
4. Zur Verfassungsmäßigkeit der Anwendung des aktuellen Rentenwertes (Ost) (vgl BSG vom 14.3.2006 - B 4 RA 41/04 R = SozR 4-2600 § 255a Nr 1).
5. Die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse, darin eingeschlossen das allgemeine Preis- und Lohnniveau, unterscheiden sich nach wie vor in den neuen Bundesländern erheblich von denen in den alten Bundesländern (Anschluss an BSG vom 13.11.2008 - B 13 R 129/08 R = BSGE 102, 36 = SozR 4-2600 § 93 Nr 12).
6. Die Systementscheidung widerspricht bei verfassungskonformer Auslegung nicht Art 14 Abs 1 S 1 GG (vgl BVerfG vom 28.4.1999 - 1 BvL 32/95 ua = BVerfGE 100, 1 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 3. April 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen von Überprüfungsverfahren die Rücknahme der bisherigen bestandskräftigen Rentenhöchstwertfestsetzung und die Neufeststellung des Wertes des Rechts der Klägerin auf Altersrente für Frauen streitig.
Die ... 1938 geborene Klägerin ist gelernte Sprechstundenschwester/Krankenschwester und war bis zum 28.2.1999 als Sprechstundenhilfe in diesem Beruf tätig. Die Klägerin ist am 1.7.1972 der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten; eine Versorgungszusage aus einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem der ehemaligen DDR ist ihr nicht erteilt worden. Auf Antrag der Klägerin vom 8.9.1998 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 12.1.1999 der Klägerin ab 1.3.1999 Altersrente für Frauen mit einem damaligen Zahlbetrag i.H.v. 1.440,20 DM (Rentenbetrag 1.553,61 DM abzüglich der Beitragsanteile der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung) bei 38,2806 persönlichen Entgeltpunkten (Ost); darin eingeschlossen das in der FZR versicherten Einkommen. Eine Begrenzung auf die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze erfolgte nicht. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Mit Schreiben vom 4.3.2000 beantragte die Klägerin am 7.3.2000 bei der Beklagten die Überprüfung dieses Bescheides, da ihrer Ansicht nach der Rentensteigerungsbetrag für Mitarbeiter des Gesundheitswesens in der DDR (Faktor 1,5) nicht berücksichtigt worden sei. Mit weiterem Schreiben vom 14.9.2000 legte die Klägerin am 15.9.2000 gegen die Rentenanpassungsmitteilung vom 1.7.2000 Widerspruch ein.
Die Klägerin beantragte mit (Formular-)Schreiben vom 9.9.2001 am 11.9.2001 bei der Beklagten die Überprüfung “aller seit dem 1.7.2000 erteilten Rentenbescheide gemäß § 44 SGB X„. Die bisher erteilten Rentenbescheide hätten insbesondere aufgrund des Rentenüberleitungsgesetzes den Einigungsvertrag und das Grundgesetz sowie die EMRK und damit die Rechte der Klägerin verletzt, In Art. 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages seien die Zahlbetragsgarantie sowie ein umfassender Eigentums-, realer Bestands- und dauerhafter Vertrauensschutz zugesichert worden. Es könne daher materiell-rechtlich nur eine Zahlbetragsgarantie geben und diese müsse für alle Bestands- und (ersten Zugangs-)Rentner gleich gelten. Bei der Rentenberechnung und der Erteilung der Rentenbescheide seien daher Auffüllbeträge bzw. Renten- oder Übergangszuschläge zu berücksichtigen sowie die Unterlassung der Anpassung des garantierten Zahlbetrages nachzuholen.
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Besch...