Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenkasse. Krankenhaus. unberechtigte Geltendmachung einer Forderung in einem Dauerschuldverhältnis. Nichtvorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung. Geltendmachung von Kosten für vorprozessuale anwaltliche Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich ist in einem Dauerschuldverhältnis die unberechtigte Geltendmachung einer Forderung pflichtwidrig (vgl BGH vom 16.1.2009 - V ZR 133/08 = NJW 2009, 1262). Die Pflichtverletzung ist nicht schuldhaft, wenn derjenige, der die Forderung geltend macht, darlegen kann, dass sein Rechtsstandpunkt plausibel ist.
2. Zu den weiteren einschränkenden Voraussetzungen, unter denen ein Krankenhaus die Kosten vorprozessualer anwaltlicher Tätigkeit gegenüber der Krankenkasse geltend machen kann, wenn die Krankenkasse pflichtwidrig eine gezahlte Vergütung teilweise zurückfordert (Anschluss an BSG vom 15.11.2007 - B 3 KR 1/07 R = BSGE 99, 208 = SozR 4-2500 § 69 Nr 3).
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. Februar 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 60,09 € festgelegt.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren für die vorgerichtliche Abwehr der teilweisen Rückforderung einer Krankenhausvergütung.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus, in dem vom 04.02.2004 bis zum 06.02.2004 eine Versicherte der beklagten Krankenkasse stationär behandelt wurde. Für diese Behandlung stellte die Klägerin am 23.02.2004 der Beklagten 993,74 € in Rechnung. Die Beklagte beglich diese Rechnung zunächst vollständig, forderte dann aber mit Schreiben vom 18.03.2004 den Teilbetrag von 334,32 € zurück. Sie bezog sich dabei auf einen Vermerk des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 16.03.2004, in dem es hieß: “Wegen ND 1 Belegungstag ausreichend - vorstat. Aufklärung ausreichend„. Die Klägerin beauftragte daraufhin ihre Prozessbevollmächtigten, eine Rechtsanwaltskanzlei, die sich mit Schreiben vom 07.04.2004 an die Beklagte wandten und darin ausführten: Die Voraussetzungen für einen Rückzahlungsanspruch lägen nicht vor. Der Nachweis fehlender Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit sei nicht erbracht, insbesondere nicht mit dem Kurzvermerk des MDK. Die Beklagte werde daher aufgefordert, spätestens bis zum 30.04.2004 schriftlich auf die Rückzahlung zu verzichten. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 30.04.2004: Die Rückzahlungsforderung werde aufrecht erhalten; über das weitere Verfahren zur Abklärung des offenen Sachverhalts werde in Kürze ein Vorschlag unterbreitet. Mit Schreiben vom 24.05.2005 erklärte die Beklagte: Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Unterlagen werde abschließend mitgeteilt, dass im Interesse einer kooperativen Zusammenarbeit mit der Klägerin auf die Rückforderung verzichtet werde. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandten der Beklagten am 07.06.2004 eine Kostennote über 60,09 € mit Bitte um Ausgleich. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 12.07.2004 mit, sie sehe keine Veranlassung, die Kosten zu übernehmen.
Am 20.09.2004 hat die Klägerin beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage auf Erstattung der angefallenen Rechtanwaltsgebühren in Höhe 60,09 € nebst Prozesszinsen erhoben. Aufgrund der unberechtigten Rückzahlungsforderung habe die Beklagte die Kosten der Rechtsverfolgung als Schadensersatz zu tragen. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts wäre nur dann nicht erforderlich gewesen, wenn die Beklagte ihre Einstandspflicht dem Grunde und der Höhe nach anerkannt und an ihrer Zahlungsbereitschaft keine Zweifel bestanden hätten. Zudem dürfe sie - die Klägerin - nicht dafür bestraft werden, wenn sie versuche, Fälle außergerichtlich unter Einschaltung eines Rechtsanwalts zu regeln. Ihres Erachtens sei mit dem Schreiben der Beklagten vom 18.03.2004 das Prüfungsverfahren abgeschlossen gewesen.
Die Beklagte hat erwidert, sie sei weder aus Verzug noch aus positiver Forderungsverletzung zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten verpflichtet. In Verzug habe sie sich zu keiner Zeit befunden. Zur Überprüfung des Versorgungsfalls und in dessen Ergebnis zur Rückforderung der erfolgten Zahlung sei sie berechtigt gewesen. Auf die Rückforderung habe sie allein im Hinblick auf eine künftige kooperative Zusammenarbeit mit der Klägerin ohne Anerkennung der Berechtigung der geprüften Vergütung verzichtet. Auch nach ihrem - der Beklagten - Schreiben vom 18.03.2004 hätten noch medizinische Einwände vorgebracht werden können.
Mit Urteil vom 14.02.2008 hat das SG der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus positiver Forderungsverletzung. Zwar stelle nicht jedes unberechtigte Zahlungsverlangen eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten dar, zumal es gerade bei auf Dauer angelegten Rechtsbeziehungen, die auf die Abwicklung einer Vielzahl von Leistungs- und Zahlungsvorgänge...