Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Berücksichtigung von Tilgungsraten für ein selbst genutztes Hausgrundstück. Mietkauf. Unvermeidbarkeit und Angemessenheit der Kosten. Begrenzung durch angemessene Vergleichsmiete für Mieter. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die monatlichen Tilgungsraten zur Zahlung eines zinslos gestundeten Kaufpreises für ein - vor dem Bezug von steuerfinanzierten Sozialleistungen ohne Eigenkapital erworbenes - von einer sechsköpfigen Familie selbst genutztes Hausgrundstück auf dem Land sind in voller Höhe als Unterkunftskosten gem § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen.

2. Dies gilt insbesondere bei einem "Miet-Kauf", bei dem das Eigentum am Grundstück der vollständigen Kaufpreiszahlung vorbehalten ist, und der Verkäufer zur Eigentumsumschreibung die vollständige Begleichung des Kaufpreises dann erst noch bestätigen muss.

3. Die Gefahr des Verlustes des Wohnraums für eine sechsköpfige Familie ist höher zu bewerten als die mögliche zukünftige Vermögensbildung der Leistungsempfänger.

4. Die zinsfreie Tilgung des Kaufpreises in Höhe von 345 Euro monatlich erstreckt sich auf einen angemessenen (Miet-) Preis.

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 18. November 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob den Klägern für die Zeit zwischen dem 01.09. 2006 und dem 28.02.2007 weitere 345,00 € monatliche Kosten der Unterkunft (KdU) zustehen.

Der 1970 geborene Kläger zu 1) und die 1968 geborene Klägerin zu 2) lebten im streitigen Zeitraum mit ihren Kindern, dem am ….1990 geborenen Kläger zu 3), dem am ….2003 geborenen Kläger zu 4), dem am ….2004 geborenen Kläger zu 5), sowie der am ….2006 geborenen Klägerin zu 6) als Bedarfsgemeinschaft zusammen.

Die Bedarfsgemeinschaft ist seit In-Kraft-Treten des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.

Die Kläger bewohnen ein ca. 100 m2 großes Haus in der H…, …. L…, mit einer Grundstücksgröße von ca. 200 m2, das der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) am 31.07.2002 durch notariellen Kaufvertrag erworben haben.

Der Kaufpreis betrug 31.549,00 € (Pkt. 6 des notariellen Vertrages) unter Einschluss eines Grundpfandrechtes in Höhe von 6.709,00 €.

Die Kläger sollten gemäß Punkt 6.7 des Vertrages den Restkaufpreis in Höhe von 24.840,00 € zinslos in 72 monatlichen Raten jeweils in Höhe von 345,00 € (letzte Rate war am 31.08.2008 fällig) zahlen. Zugunsten der Kläger wurde eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen, wobei der Vormerkung die zum damaligen Zeitpunkt eingetragenen und unter Mitwirkung der Käufer bestellten Finanzierungsgrundpfandrechte im Rang vorgingen.

Der Eigentumsübergang wurde erst nach vollständiger Bezahlung des Kaufpreises und entsprechender Bestätigung durch die Verkäufer vereinbart. Die Bewilligung der Verkäufer zur Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch wurde mithin bei Unterzeichnung des Kaufvertrags noch nicht erklärt (Pkt. 3.2 des notariellen Vertrags).

Sofern die Käufer mit der Zahlungsverpflichtung für eine Kaufpreisrate länger als drei Monate in Verzug kämen, wurde vereinbart, dass sofort der gesamte noch ausstehende Restbetrag in voller Höhe zur Zahlung fällig würde. Der Verkäufer war alternativ in diesem Fall auch zum Rücktritt von den schuldrechtlichen Vereinbarungen des Vertrags berechtigt (Pkt. 6.8 des Vertrags).

Die Kläger hatten sich im Vertrag wegen der eingegangenen Verpflichtung zur Zahlung bestimmter Geldbeträge der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in ihr gesamtes Vermögen unterworfen (Pkt.6.10).

Mit Fortzahlungsantrag vom 03.08.2006 beantragten die Kläger beim Beklagten die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) ab dem 01.09.2006.

Mit Bewilligungsbescheid vom 31.08.2006 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 monatlich 1.025 €.

Dabei legte er für den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) jeweils 298,00 € monatliche Regelleistung sowie 265,00 € monatliche Regelleistung für den Kläger zu 3) zugrunde. Für die Kläger zu 4) und 5) und 6) bewilligte er monatliche Leistungen in Höhe von 199,00 € in Form von Sozialgeld.

Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte das für die Kläger zu 3) bis 6) gezahlte Kindergeld in Höhe von 160,25 € monatlich (für die Klägerin zu 6) ab Mai 2006) sowie 35,00 € Unterhalt für den Kläger zu 3), insgesamt also 691,06 €.

Zusätzlich existierte eine Lebensversicherung des Klägers zu 1) mit einem Rückkaufwert von ca. 8.000,00 €.

Als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) bewilligte der Beklagte jeweils 32,94 € bzw. 32,94 €, also insgesamt 197,66 €. Der Beklagte erkannte die monatlichen Tilgungsraten für das von den Klägern bewohnte Haus in Höhe von 345,00 € hierbei n...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge