Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Ausnahme von der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen. Leistungsversagung bzw -entziehung für das volljährige Kind als Mitglied der Bedarfs- bzw Haushaltsgemeinschaft aufgrund fehlender Mitwirkung. Rechtswidrigkeit der nur vorläufigen Leistungsbewilligung
Leitsatz (amtlich)
Zur Abweichung vom Kopfteilprinzip bezüglich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Falle einer Leistungsversagung nach § 66 SGB I gegenüber einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.
Orientierungssatz
Ist die Durchbrechung des Kopfteilprinzips in einem solchen Fall gerechtfertigt, so liegen die Voraussetzungen für eine vorläufige Entscheidung gem § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB 2 iVm § 328 SGB 3 nicht vor, sondern über die Leistungen für Unterkunft und Heizung ist endgültig zu entscheiden. Einer gesonderten Geltendmachung des kopfanteiligen Anteils an den Unterkunftskosten durch das Kind steht dann dauerhaft der Einwand der Erfüllung entgegen und den Eltern kann auch nicht die mangelnde Mitwirkung des volljährigen Kindes als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet werden.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 10. Februar 2014 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern unter Abänderung der Bescheide vom 15. Oktober 2010 in der Fassung der Bescheide vom 10. Februar 2011 und 26. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2011 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 31. März 2011 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung wie folgt zu bewilligen:
Für den Kläger zu 1 für die Monate Oktober und November 2010 je weitere 77,37 EUR, für Dezember 2010 weitere 83,21 EUR und für die Monate Januar und Februar 2011 je weitere 88,34 EUR.
Für die Klägerin zu 2 für die Monate Oktober und November 2010 je weitere 77,38 EUR, für Dezember 2010 weitere 83,21 EUR und für die Monate Januar und Februar 2011 je weitere 88,33 EUR.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger für beide Rechtszüge.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der anteiligen Ansprüche der Kläger auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung.
Die erwerbsfähigen Kläger standen beim Beklagten im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Sie waren nicht in der Lage ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 28. Februar 2011 lebten sie gemeinsam mit ihrem im Jahr 1989 geborenen Sohn in einer ca. 65 m² großen Mietwohnung in A..., für die sie eine Kaltmiete in Höhe von 335,00 EUR monatlich zuzüglich eine monatliche Vorauszahlung für Betriebskosten in Höhe von 160,00 EUR, ab dem 1. Dezember 2010 in Höhe von monatlich 195,00 EUR zahlen mussten. Parteien des Mietvertrages waren die Kläger als Mieter und die Grundstücksgemeinschaft W... GbR als Vermieterin.
Der Sohn der Kläger meldete am 16. März 2010 ein Gewerbe (Handel mit Mobilfunkzubehör) an und wurde vom Beklagten vergeblich zur Vorlage der Anlage EKS [Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft im Bewilligungszeitraum] aufgefordert. Zum 28. Januar 2011 meldete er das Gewerbe wieder ab.
Mit Versagungsbescheid vom 29. September 2010 versagte der Beklagte die Leistung für die Kläger und ihren gemeinsamen Sohn wegen fehlender Mitwirkung ab 1. Oktober 2010 vollständig. Auf den Widerspruch der Kläger bewilligte der Beklagte ihnen mit Bescheid vom 15. Oktober 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10. Februar 2011 vorläufig neben der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung Kosten und Unterkunft für Heizung in Höhe von insgesamt 342,12 EUR. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 31. März 2011 wurden den Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 28. Februar 2011 neben der Regelleistung 353,33 EUR, nunmehr endgültig bewilligt.
Mit weiterem Bescheid vom 21. März 2011 wurden den Klägern Leistungen für eine im November 2010 fällige Nachzahlung auf Betriebskosten in Höhe von 373,12 EUR bewilligt.
Bei der Bemessung des Bedarfs rechnete der Beklagte nach dem Kopfteilprinzip einen auf den gemeinsamen Sohn entfallenen Anteil von 1/3 an den Kosten für Unterkunft und Heizung nicht auf die Kläger an. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos und wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2011 als unbegründet zurückgewiesen.
Die am 29. April 2011 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 10. Februar 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der weitere Anteil an den Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe eines Drittels ein Anspruch des gemeinsamen Sohnes der Kläger sei, den die Kläger nicht in eigenem Namen geltend machen könnten. Werde eine Unterkunft von mehreren Personen gleichberechtigt gemeinsam bewohnt, so...