Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Behinderungsausgleich. Dekubitus-Matratze

 

Orientierungssatz

Zum Streit über die Versorgung mit einer Matratze vom Typ "Thevo Schlummerstern" als Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.04.2024; Aktenzeichen B 3 KR 17/22 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 28. Oktober 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einer Matratze vom Typ "Thevo Schlummerstern".

Die 2007 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an frühkindlicher Hirnschädigung mit schwerwiegender psychomotorischer Entwicklungsstörung, zentralmotorischer Koordinationsstörung schweren Grades mit muskulärer Hypotonie und neurogener Knickfußstellung. Ausweislich des am 30. September 2013 von der Sachverständigen im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Sachsen erstellten Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit war zum Zeitpunkt der Begutachtung die körperliche und geistige Entwicklung völlig ausgeblieben. Der Allgemein- und Kräftezustand waren deutlich reduziert; eine aktive Fortbewegung fand nicht statt. Die Klägerin wirkte teilnahmslos; eine Kommunikation mit ihr war nicht möglich. Es bestanden regelmäßige nächtliche Ein- und Durchschlafstörungen mit langen Wachphasen.

Am 20. September 2015 verordnete Dr. Z., Facharzt für Pädiatrie (Schwerpunkt: Neuropädiatrie) und Chefarzt am Sozialpädiatrischen Zentrum am Y., für die Klägerin eine Antidekubitusmatratze vom Typ "Thevo-Adapt Schlummerstern" (nach häuslicher Erprobung). Dem entsprechenden Leistungsantrag der Klägerin war ein Kostenvoranschlag des X. über insgesamt 2.262,73 EUR beigefügt. In einem ergänzenden Arztbrief wies Dr. Z. darauf hin, dass die nächtlichen Schlafphasen der Klägerin lediglich zwei bis drei Stunden betrügen; die (berufstätigen) Eltern seien bereits an der Grenze der Erschöpfbarkeit angelangt. Die verordnete Matratze habe einen positiven Effekt auf die Schlaflänge. Dies habe er bereits bei anderen ähnlich schwer erkrankten Kindern beobachtet.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2016 lehnte die Beklagte die begehrte Versorgung mit der Begründung ab, die Matratze sei vom Hersteller ausweislich der Eintragungen im Hilfsmittelverzeichnis für die Antidekubitusprophylaxe und -therapie konzipiert und aufgenommen worden. Bei der Klägerin sei jedoch weder ein Dekubitus noch eine Dekubitusgefahr ersichtlich. Hinsichtlich des geltend gemachten positiven Effekts liege kein Wirksamkeitsnachweis vor. Die insoweit vorgelegten erstinstanzlichen Gerichtsentscheidungen vermöchten ebenso wenig wie die vom Matratzenhersteller vorgelegte Wirksamkeitsstudie zum Micro-Stimulationssystem der Matratze "Thevo-Adapt Schlummerstern" den erforderlichen Nachweis zu erbringen.

Hiergegen hat die Klägerin am 29. Februar 2016 Klage beim Sozialgericht Dresden (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, mit der begehrten Matratze werde nicht das Versorgungsziel der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung angestrebt; um eine Dekubitusprophylaxe gehe es nur am Rande. Das Fehlen einer - unter dem Gesichtspunkt einer neuen Behandlungsmethode abzugebenden - positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) - stehe dem geltend gemachten Anspruch daher nicht entgegen. Vordergründig sei vielmehr das Versorgungsziel des mittelbaren Behinderungsausgleichs im Sinne der Befriedigung der allgemeinen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, zu denen auch der ungestörte/unbelastete Nachtschlaf zu zählen sei.

Das SG hat zunächst einen Befundbericht von Dr. Z. beigezogen. Dieser hat am 30. Januar 2017 ausgeführt, die verordnete Matratze sei bei der Klägerin ausprobiert worden und habe Verbesserungen im Schlafverhalten sowie in der alltäglichen Zugänglichkeit bewirkt. Natürlich, so Dr. Z. weiter, gebe es keine Studien zur Wirksamkeit dieser Matratze im Vergleich zu herkömmlichen Matratzen, da dies nach medizinisch-wissenschaftlichen Kriterien und entsprechend des Studiendesigns aufgrund einer fehlenden homogenen Patientengruppe mit einer entsprechenden Größe eigentlich nicht machbar sei. Ferner hat das SG Dr. W., Facharzt für Pädiatrie (Schwerpunkt: Neuropädiatrie; Zusatzbezeichnung: Schlafmedizin) am Y., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat die Klägerin in den Nächten vom 14. bis 16. Januar 2019 im Schlaflabor mittels Polysomnographie untersucht und in seinem am 11. April 2019 erstellten Gutachten ausgeführt, die erhobenen Befunde belegten die seitens der Eltern angegebenen Ein- und Durchschlafstörungen mit spätem Einschlafen, Unruhe- und Aufwachphasen und häufigem Lagewechsel. Wegen der körperlichen Behinderung bestehe bei der Klägerin ...

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