Entscheidungsstichwort (Thema)
Sächsisches Landesblindengeld. Leistungsausschluss für wirtschaftlich inaktive Personen mit ausländischem Wohnsitz. in Österreich lebende deutsche Rentnerin. europäisches Koordinierungsrecht. EGV 883/2004
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf sächsisches Landesblindengeld für eine in Österreich lebende deutsche Staatsbürgerin besteht auch unter Berücksichtigung der VO(EG) 883/2004 (juris: EGV 883/2004) nicht, wenn diese in Sachsen nicht wirtschaftlich aktiv ist.
Orientierungssatz
1. Die Art 22, 24 und 29 EGV 883/2004, befinden sich im Titel 3 der Verordnung (besondere Bestimmungen über die verschiedenen Arten von Leistungen) und regeln nicht die Zuständigkeit, welche ausschließlich im Titel 2 (Bestimmung des anwendbaren Rechts) der Verordnung geregelt wird.
2. Der Ausschluss wirtschaftlich inaktiver Personen mit ausländischem Wohnsitz vom Landesblindengeld verstößt nicht gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl EuGH vom 5.5.2011 - C-206/10 = Slg 2011, I-3573).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 1. August 2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Blindengeld nach dem Sächsischen Landesblindengeldgesetz (LBlindG) streitig.
Die 1942 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz seit über 20 Jahren in Österreich. Zuvor war sie in Z..., im Landkreis Y..., dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten, wohnhaft. Sie bezieht eine Rente von der Deutschen Rentenversicherung, darüber ist sie auch krankenversichert (AOK X...). Sie ist im Besitz eines Behindertenpasses der Republik Österreich mit einem GdB von 100 seit dem 27.07.2016 (zuvor GdB von 80).
Nach dem Sachverständigengutachten vom 30.06.2016 von Dr. W..., Augenheilkunde und Optometrie, leidet die Klägerin an einer Maculadegeneration, um 2012 habe sich eine deutliche Visusverschlechterung ergeben. Seit 2013 bestehe eine deutliche Visusminderung vor allem rechts. Der Visus auf dem rechten Auge betrage 0,02, auf dem linken Auge 0,025, binokulär 0,02. Zusätzlich liege beidseits ein grauer Star vor, dessen Operabilität an der Einstufung aber keine Änderung bewirke. Es liege eine hochgradige Sehbehinderung nach § 4a des Österreichischen Bundespflegegeldgesetzes vor.
Den Antrag der Klägerin an die Österreichische Pensionsversicherungsanstalt auf Pflegegeld nach dem Österreichischen Bundespflegegeldgesetz - BPGG - hat diese mit Bescheid vom 26.08.2016 abgelehnt, weil die Klägerin nicht der Krankenversicherung in Österreich zugehörig sei (§ 3a BPGG). Deutschland sei demzufolge für pflegebedingte Leistungen bei der Klägerin zuständig. Das Landesgericht V... hat der Klägerin mit Urteil vom 23.05.2017 die begehrte Leistung zugesprochen, das Oberlandesgericht U... hat mit Urteil vom 13.09.2017 das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Nach § 3a Abs. 1 BPGG bestehe kein Anspruch auf österreichisches Pflegegeld, weil die Klägerin aufgrund des ausschließlichen Bezugs einer deutschen Rente und damit verbunden einer deutschen Krankenversicherung dem deutschen Krankenversicherungsrecht zuzuordnen sei, dieses sei für Geldleistungen bei Pflegebedürftigkeit zuständig. Diese Regelung verstoße nicht gegen die EG-Verordnung 883/2004.
Mit weiterem Gutachten vom 01.04.2017, erstellt für das Landesgericht V..., hat Dr. W... festgestellt, dass die Klägerin zumindest seit dem 17.03.2017 einen Visus von nunmehr 2 % auf beiden Augen, auch binokulär, habe.
Den Antrag der Klägerin auf Leistungen nach dem Sächsischen Landesblindengeldgesetz vom 17.11.2016 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.01.2017 ab. Da die Klägerin weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Sachsen habe, könnten ihr die entsprechenden Leistungen nicht gewährt werden. Den (Überprüfungs-)Antrag vom 01.12.2017, den Bescheid vom 06.01.2017 nach § 44 SGB X aufzuheben und eine neue Feststellung zu treffen, lehnte der Beklagte mit Überprüfungsbescheid vom 23.01.2018 ab. In Ergänzung zum vorigen Bescheid wurde im Hinblick auf die VO (EG) 883/2004 ausgeführt, dass kein Anspruch bestehe, weil die Klägerin keine Beschäftigung in Sachsen ausübe und hier auch keinen Wohnsitz habe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Kommunale Sozialverband Sachsen mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2018 mit gleichlautender Begründung zurück.
Mit der am 06.04.2018 zum Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, dass ihr unter Anwendung der VO (EG) 883/2004 ein Anspruch auf Landesblindengeld zustehe, Niedersachsen habe dies explizit in seinem Landesblindengeldgesetz geregelt. Deutsches Pflegegeld erhalte sie nicht, die Pflegekasse habe dies mangels Feststellung einer Pflegestufe (unterhalb Pflegestufe 1) mit Bescheid vom 09.08.2013 abgelehnt.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.08.2018 hat das...