Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufsichtsrecht. vertragsärztliche Versorgung. Rundschreiben des Bundesversicherungsamts zu den Vergütungsverträgen nach § 87a SGB 5. keine Anfechtung der erteilten Hinweise durch Aufsichtsklage. Klagebefugnis einer Kassenärztlichen Vereinigung gegen aufsichtsbehördliche Maßnahme als Drittbetroffener reicht nicht weiter als Rechtsschutzbedürfnis der Krankenkassen als Adressaten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die von einer Aufsichtsbehörde in einem Rundschreiben erteilten Hinweise können weder von ihren Adressaten noch von Dritten mit der Aufsichtsklage angefochten werden.

2. Die Klagebefugnis einer Kassenärztlichen Vereinigung gegen eine aufsichtsbehördliche Maßnahme, die nicht an sie gerichtet ist, reicht nicht weiter als das Rechtsschutzbedürfnis der Krankenkassen, die Adressaten der Maßnahme sind.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 2.500.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Kassenärztliche Vereinigung (KÄV), wendet sich gegen ein Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes (BVA - seit 01.01.2020: Bundesamt für Soziale Sicherheit) der Beklagten.

Unter dem 13.09.2018 versandte das BVA an alle bundesunmittelbaren Krankenkassen ein Rundschreiben zu den Vergütungsverträgen zur vertragsärztlichen Versorgung nach § 87a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), um über festgestellte rechtlich problematische Vereinbarungen zu informieren und im Hinblick auf die bevorstehenden Vertragsverhandlungen für das Jahr 2019 um Beachtung der Rechtshinweise gebeten. Die Einhaltung der gesetzlichen Frist nach § 87a Abs. 3 Satz 1 SGB V werde von den Gesamtvertragspartnern regelmäßig nicht beachtet. Zukünftig werde um Beachtung gebeten und darauf hingewiesen, dass die Tolerierung etwaiger Rechtsverstöße nicht mehr in Betracht gezogen werde. Bei der Ermittlung der morbiditätsbedingten Veränderungsrate hätten die Gesamtvertragspartner die ihnen durch § 87a Abs. 4 SGB V eingeräumte Kompetenz mehrfach deutlich überschritten; es seien vertragliche Regelungen abgeschlossen worden, die nicht transparent machten, welche Gewichtungsfaktoren zugrunde gelegt worden seien, und die von der Regelungsgewichtung oder den vom Bewertungsausschuss empfohlenen Gewichtungsmaßstäben abwichen. Hierzu teilte das BVA unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seine Rechtsansicht mit. Auch bei den Förderungsmöglichkeiten nach § 87a Abs. 2 Satz 3 SGB V würden die gesetzlichen Grenzen zum Teil nicht beachtet. Insbesondere dürften sich die Gesamtvertragspartner nicht über den Beschluss des Bewertungsausschusses vom 22.10.2012 hinwegsetzen. Das Rundschreiben schloss mit dem Satz: „Wir bitten Sie, unsere Rechtshinweise bei den anstehenden Vertragsverhandlungen zu berücksichtigen. Die unserer Aufsicht unterstehenden Krankenkassen ohne Gesamtvertragsabschlusskompetenz bitten wir, in ihrem Landesverband auf die Beachtung hinzuwirken“.

Am 27.12.2018 hat die Klägerin beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) Klage erhoben mit dem Antrag, das Rundschreiben des BVA vom 13.09.2018 aufzuheben.

Mit Beschluss vom 17.01.2020 hat der Senat festgestellt, dass das Sächsische Landessozialgericht (LSG) für das Verfahren erstinstanzlich zuständig ist, und mit Beschluss vom 21.01.2020 die der Aufsicht des Bundes unterliegenden Gesamtvertragspartner der Klägerin zum Verfahren beigeladen.

Die Klägerin trägt vor, die Klage sei als Aufsichtsklage in entsprechender Anwendung von § 54 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Das Rundschreiben stelle eine aufsichtsbehördliche Maßnahme dar, da das BVA die staatliche Aufsicht über die bundesunmittelbaren Krankenkassen führe. Mit dem Rundschreiben werde es gegenüber bundesunmittelbaren Krankenkassen sowie gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen tätig, indem es verbindliche Anforderungen an die vertragliche Vereinbarung zur Gesamtvergütung stelle. Unabhängig davon, ob es sich um einen Verwaltungsakt handele, greife das BVA mit dieser aufsichtsrechtlichen Maßnahme in die Rechtssphäre des Selbstverwaltungsträgers ein. Soweit sich die bundesunmittelbaren Krankenkassen oder das Schiedsamt der Auffassung des BVA anschlössen, verenge sich der Gestaltungsspielraum der Vertragspartner. Dies gelte selbst dann, wenn die Krankenkassen die Rechtsauffassung des BVA für rechtswidrig hielten. Damit hätte sie - die Klägerin - keine Möglichkeit, nachgelagert eine gerichtliche Überprüfung der Auffassung des BVA zu erreichen.

Die Klägerin beantragt,

das Rundschreiben des damaligen Bundesversicherungsamtes vom 13. September 2018 zu den Anforderungen an die Vereinbarung zur Gesamtvergütung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen für das Jahr 2019 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, die Aufsichtsklage sei nicht statthaft, weil es sich um...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge