Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Studenten. Urlaubssemester. kein Darlehen wegen besonderem Härtefall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Studierende unterfallen auch während eines Urlaubssemesters dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB 2.

2. Die Gründe für die Beurlaubung können allenfalls zur Annahme einer besonderen Härte iS von § 7 Abs 5 S 2 SGB 2 führen.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 09. September 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für Zeiten, in denen sie während ihres Studiums der Ostslavistik beurlaubt war.

Die 1983 geborene Klägerin war vom 01.10.2005 bis zum 30.09.2007 als Studentin der Universität L… immatrikuliert. Im Sommersemester 2007, welches vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 dauerte, befand sie sich ausweislich der vorgelegten Immatrikulationsbescheinigung im Urlaubssemester. Das Urlaubssemester habe sie beantragt, weil sie entschieden habe, sich für einen Studienplatz am Deutschen Literaturinstitut L… zu bewerben. Da sie sich noch nicht im Klaren darüber gewesen sei, ob sie angenommen werden und ob sie anderenfalls ihr vorheriges Studium fortführen würde, habe sie ein Urlaubssemester beantragt, auch aus der Befürchtung heraus, bei einer Ablehnung keine Ausbildungsmöglichkeit mehr zu haben und da sie nicht sofort alles hätte aufgeben wollen. Ihre Bewerbung am Deutschen Literaturinstitut sei abgelehnt worden, am 30.09.2007 sei sie von der Universität L… exmatrikuliert worden.

Mit Antrag vom 24.04.2007, eingegangen beim Beklagten und Berufungskläger (im Folgenden: Beklagter) am 18.06.2007, beantragte sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dem Antrag war u.a. ein Untermietvertrag beigefügt, wonach sie vom 01.05.2007 bis 31.12.2007 ein Zimmer zur Untermiete für 145,00 EUR zuzüglich pauschaler Nebenkosten von 55,00 EUR monatlich in der Z… St… .. in L… angemietet hatte. Des Weiteren war eine Praktikumsvereinbarung beigefügt, wonach die Klägerin in der Zeit vom 01.04.2007 bis 31.07.2007 ein Praktikum bei L… N… B… durchführe. Ziel des Praktikums sei es, sie an das Mediengeschäft heranzuführen und insbesondere mit Funktion und Aufgaben eines Locations Scouts vertraut zu machen. Sie werde während des gesamten Zeitraums einem Location Scouts assistieren, aufgrund der variierenden Auftragslage bedeute das einen Zeitaufwand zwischen 30 und 40 Stunden pro Woche. Ein Entgelt für dieses Praktikum werde nicht gezahlt. Durch Ankreuzen gab die Klägerin auf dem Antragsformular an, sie könne ihrer Einschätzung nach eine Tätigkeit für mindestens drei Stunden täglich nicht ausüben, weil sie zurzeit ein Praktikum mache. An Einkommen erhalte sie Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich. Für April und Mai 2007 habe sie zwar BAföG in Höhe von jeweils 486,37 EUR monatlich erhalten, dieses müsse aber zurückgezahlt werden, weil sie sich im Urlaubssemester befinde.

Mit Bescheid vom 28.06.2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Ein Leistungsanspruch nach dem SGB II bestehe nicht, weil sich die Klägerin in Ausbildung befinde und diese Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) dem Grunde nach förderungsfähig sei. Den dagegen erhobenen Widerspruch vom 25.07.2007 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2007 zurück.

Auf die am Montag, dem 08.10.2007 erhobene Klage hat das Sozialgericht Leipzig (SG) mit Urteil vom 09.09.2010 den Bescheid des Beklagten vom 28.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2007 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum 24.04.2007 bis 30.09.2007 Arbeitslosengeld II zu gewähren. Die Klägerin sei nicht gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, denn solange ein Student von der Hochschule beurlaubt sei, fehle es jedenfalls im Sommersemester 2007 an der Grundvoraussetzung für eine Förderung nach dem BAföG, nämlich dem Besuch einer Hochschule nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG. Auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (SächsLSG) ergebe sich jedenfalls für Urlaubssemester, die vollständig vor dem Inkrafttreten der hochschulrechtlichen Neuregelung lägen (§ 20 Abs. 3 Sächsisches Hochschulgesetz ≪SächsHSG≫ ab 01.01.2009, wonach beurlaubten Studenten ermöglicht werden solle, Studien- und Prüfungsleistungen zu erbringen) nichts anderes.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Bei der Beurteilung, ob eine grundsätzliche Förderfähigkeit nach dem BAföG bestehe, komme es nicht darauf an, ob Ausbildungsförderung tatsächlich geleistet werde oder ob die Förderung zum Beispiel wegen längerer Krankheit, Inanspruchnahme eines Urlaubs...

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