Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante. Erstattungsanspruch der BA. Lohn- und Sachkostenzuschüsse an den Maßnahmeträger. keine Gesamtabrechnung innerhalb der Ausschlussfrist des § 326 Abs 1 SGB 3. Mitwirkungspflicht. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Beratungspflicht der BA
Leitsatz (amtlich)
1. § 326 Abs 2 SGB 3 stellt einen eigenständigen Erstattungsanspruch dar.
2. Die Mitwirkungsobliegenheit nach § 326 SGB 3 besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob der Träger von der Behörde zur Vorlage von Unterlagen aufgefordert wurde.
3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Ausschlussfrist von § 326 Abs 1 SGB 3 ist nicht möglich.
4. Der Maßnahmenträger ist auf die Ausschlussfrist von § 326 Abs 2 SGB 3 hinzuweisen und über Folgen einer verspäteten Vorlage der geforderten Unterlagen zu belehren. Wenn ein solcher Hinweis unterbleibt, sind die nachgereichten Unterlagen als rechtzeitig vorgelegt zu behandeln.
Normenkette
SGB II § 326 Abs. 2, 1 Sätze 1-2, §§ 35, 330 Abs. 2-3, § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, § 16d S. 1 Fassung: 2008-12-21; SGB X § 24 Abs. 1-2, § 27 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, § 33 Abs. 1, § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 45 Abs. 2 S. 3, § 48 Abs. 1 S. 2; SGB I § 14 Sätze 1-2, § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 66 Abs. 1 S. 1; BGB § 26 Abs. 1 S. 2, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2; SGG § 123
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 13. Juli 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligen streiten um die Erstattung von Lohn- und Sachkostenzuschüsse in Höhe von insgesamt 22.939,20 EUR, die dem Kläger als Förderleistung gewährt wurden.
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in L…, der durch einen ehrenamtlich tätigen und allein vertretungsberechtigten Vorsitzenden sowie zwei gemeinsam vertretungsberechtigte Stellvertreter geführt wird. Am 7. Mai 2009 stellte er, vertreten durch seinen Vorsitzenden, einen Antrag auf Förderleistung für Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante nach § 16d Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zweites Buchs - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009. Er beantragte die Gewährung eines monatlichen Zuschusses in Höhe von 810,00 EUR je Arbeitnehmer für die Beschäftigung von vier Arbeitnehmern mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden im Rahmen eines sozialen Möbelprojekts in T….
Mit Förderbescheid vom 23. Juni 2009 bewilligte ihm die ARGE SGB II O…/T… (im Folgenden: ARGE) antragsgemäß für die Fördermaßnahme Nr. 6044/09 eine pauschale Sonderleistung für die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten in der sogenannten Entgeltvariante in Höhe von insgesamt 22.939,20 EUR. Hierbei handelte es sich um eine Fallpauschale, die in Höhe von 955,80 EUR je Arbeitnehmer und Monat für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 gewährt wurde.
Der Förderbescheid vom 23. Juni 2009 enthielt auf Seite 2 einen Zusatz "Ergänzende Hinweise/Auflagen", der wie folgt lautete:
"[…] Die bewilligten Förderleistungen sind zur Schlussabrechnung nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege im Original sowie Lohnnachweise/Lohnjournale zu erbringen.
[…]
Innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Beendigung der Maßnahme müssen die Unterlagen vorgelegt werden, die für eine abschließende Entscheidung über den Umfang der Förderung erforderlich sind. In dem Umfang, in dem die Voraussetzungen nicht nachgewiesen worden sind, ist die erbrachte Leistung nach § 326 SGB III zu erstatten. […]"
In der Folge zahlte die ARGE die Förderleistungen an den Kläger in monatlichen Teilbeträgen von 3.823,20 EUR vollständig aus, nachdem der Kläger die Arbeitsverträge für die vier befristet beschäftigten Arbeitnehmer vorgelegt hatte. Die Maßnahme endete planmäßig zum 31. Dezember 2009. Weitere Nachweise wurden vom Kläger in der Folge nicht eingereicht. Eine Aufforderung zur Vorlage der geforderten Nachweise erfolgte durch die Beklagte nicht. Erst am 13. Oktober 2010 legte der Kläger Abrechnungsformblätter für drei Arbeitnehmer vor. Das Abrechnungsformblatt für den vierten Arbeitnehmer, die Maßnahmendokumentation und der Ergebnisbericht wurden am 18. Oktober 2010 eingereicht.
Mit Erstattungsbescheid vom 15. Oktober 2010 forderte die ARGE die ausgezahlten Lohn- und Sachkostenzuschüsse in Höhe von insgesamt 22.939,20 EUR für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 vom Kläger gemäß § 326 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Gesamtabrechnung nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist erfolgt sei.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 22. November 2010 Widerspruch ein und führte die verspätete Vorlage auf das Ausscheiden einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin, die für die Lohn- und Finanzverwaltung zuständig gewesen s...