Verfahrensgang
SG Dresden (Urteil vom 19.10.1998; Aktenzeichen S 12 BL 6/98) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 19. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Beginn der Zahlung des Nachteilsausgleichs für Schwerstbehinderte Kinder nach dem Gesetz über die Gewährung eines Landesblindengeldes und anderer Nachteils ausgleiche vom 11.02.1992 (SächsGVBl. S. 53) in der Fassung des Gesetzes vom 11.12.1995 (SächsGVBl. S. 385) – LBlindG – streitig.
Der am … geborene Kläger ist schwerbehindert. Mit Bescheid vom 02.12.1993 stellte der Beklagte ein Ausmaß der Behinderung von 100 Grad und das Vorliegen der Voraussetzungen der Merkzeichen G, H und B fest. Am 24.11.1995 beantragte der Kläger beim Beklagten die erneute Ausstellung eines Ausweisbeiblattes für die Freifahrtberechtigung mit Wertmarke ab Dezember 1995. In der für Schwerbehindertenangelegenheiten zuständigen Abteilung des Amtes für Familie und Soziales Dresden ging dieser Antrag am 27.11.1995 ein und wurde dort am 28.11.1995 bearbeitet. Der Versand des Beiblattes mit Wertmarke erfolgte am 30.11.1995. Ein Hinweis auf die zwischenzeitliche Änderung des LBlindG erfolgte nicht.
Am 26.11.1997 ging beim Beklagten der Antrag des Klägers auf Gewährung des Nachteilsausgleichs für Schwerstbehinderte Kinder ein, dem der Beklagte mit Bescheid vom 11.12.1997 für die Zeit seit dem 01.11.1997 entsprach. Gegen diesen Zeitpunkt des Leistungsbeginns erhob der Kläger Widerspruch mit dem Hinweis auf fehlende Informationen über die Möglichkeit, einen solchen Nachteilsausgleich bereits eher zu erhalten. Ihn wies der Beklagte mit Bescheid vom 03.02.1998 zurück. Über die Novellierung des LBlindG zum 01.01.1996 sei in der Presse ausreichend informiert worden.
Hiergegen richtet sich die am 02.03.1998 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage, mit der die Zahlung des Nachteilsausgleichs bereits ab dem 01.01.1996 begehrt wird. Bei den Hilfeplänen bzw. Kontrollberichten für ihn durch das Ortsamt K. in D. (Jugend/soziale Dienste) am 15.1.1996 und 24.3.1997 sei er bisher in keiner Weise auf die Möglichkeit von sozialen Leistungen für Schwerstbehinderte Kinder angesprochen worden. Da er ständige Verbindung zu diesem Amt habe, und bei Antrag auf Pflegschaft um Hilfe und Unterstützung gebeten habe, was ihm auch vom Jugendamt zugesichert worden sei, erwarte er, dass derart wichtige Informationen an die Betroffenen weitergeleitet würden. Der Beklagte hat dem entgegengehalten, das Jugendamt sei nicht für den Vollzug des LBlindG zuständig.
Mit Urteil vom 19. Oktober 1998 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 10.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.1998 geändert und den Beklagten verurteilt, dem Kläger den Nachteilsausgleich für Schwerstbehinderte Kinder nach dem Sächsischen Landesblindengeldgesetz auch für die Zeit vom 01.01.1996 bis zum 31.10.1997 zu zahlen. Zur Begründung hat das SG u.a. aufgeführt: Zwar habe der Kläger einen Antrag auf die begehrte Leistung erst im November 1997 gestellt. Die Anspruchsvoraussetzungen des am 01.01.1996 in Kraft getretenen § 1 Abs. 4 LBlindG habe der Kläger jedoch bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift erfüllt. Die fehlende frühere Antragstellung könne über das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs rückwirkend herbeigeführt werden. Der Beklagte habe nämlich die sich aus § 14 SGBI – der wegen § 6 Abs. 1 LBlindG entsprechend anzuwenden ist – ergebende Pflicht, dem Kläger Fürsorge und Betreuung zuteilwerden zu lassen (Hinweis auf Bley, Sozialrecht, 6. Aufl. S. 42) verletzt. Aus dieser Pflicht des Beklagten erwachse das Recht des Klägers, vom Beklagten Ratschläge und Auskünfte über seine sozialen Rechte zu erhalten, jedenfalls soweit der Rechtskreis der dem Beklagten obliegenden Aufgaben dem Kläger gegenüberreiche. Innerhalb dieses Aufgabenkreises des Amtes für Familie und Soziales hätten sowohl die Bearbeitung der Schwerbehindertenangelegenheit als auch die Bearbeitung von Angelegenheiten nach dem LBlindG gelegen. Der Beklagte könne sich gegenüber dem Kläger nicht darauf berufen, die eine Abteilung des Amtes für Familie und Soziales habe keine Kompetenz hinsichtlich der jeweils anderen Aufgabenstellung gehabt. Insoweit sei ihm der Grundsatz der Einheit der Verwaltung entgegen zuhalten. Einzuräumen sei zwar, dass in den Fällen, in denen kein ausdrücklicher Beratungs- bzw. Auskunftsbedarf des Bürgers der Verwaltung gegenüber geäußert werde, nicht ohne weiteres eine Pflicht zum Hinweis auf sozialrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehe. Im vorliegenden Fall habe jedoch die Pflicht des Beklagten – hier der für die Schwerbehindertenangelegenheiten zuständigen Sachbearbeitung – bestanden, den Kläger von sich aus „spontan” dahi...