Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Arzneimittelversorgung. Vergütungsanspruch der Apotheke. Einzelverträge zwischen Krankenkassen und Apotheken zur Versorgung mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie. Exklusivwirkung

 

Orientierungssatz

Einzelverträge zwischen Krankenkassen und Apotheken zur Versorgung mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie gemäß § 129 Abs 5 S 3 SGB 5 aF (iVm der Übergangsregelung nach § 129 Abs 5 S 4 SGB 5) haben eine die Leistungserbringung durch andere Apotheken ausschließende Exklusivwirkung.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. Mai 2021 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 49.451,82 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Retaxation von Zytostatikavergütungen für den Zeitraum vom 16.06.2017 bis 29.08.2017.

Der Kläger ist Inhaber einer öffentlichen Apotheke und verfügt über die spezielle Befähigung zur Herstellung von Zytostatika. Er ist Mitglied im Sächsischen Apothekerverband, der seinerseits dem Deutschen Apothekenverband e.V. (DAV) angehört.

Die D…, deren Mitglied die beklagte Krankenkasse ist, schrieb im Oktober 2016 in zwei Vergabeverfahren (0057-Zyto-1-2016 und 0058-Zyto-2-2016) gebietsbezogene Verträge über die Versorgung mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie gemäß § 129 Abs. 5 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009 (BGBl. I S. 1990) aus. Die ausgeschriebene (Rahmen-)Vereinbarung enthielt dabei den Hinweis, dass der Auftragnehmer alleiniger Vertragspartner der Auftraggeberin für das bezuschlagte Gebiet und hier aufgrund des Zuschlages allein versorgungsberechtigt sei (§ 3 Abs. 2 Satz 1). Der Auftragnehmer verpflichtete sich, nur dann die vertragsgegenständlichen Zubereitungen für Versicherte der Auftraggeberin herzustellen und abzugeben, wenn sich die Betriebsstätte des verordnenden Arztes, in welcher der Versicherte behandelt wird, im Gebietslos des ihm erteilten Zuschlages befindet (§ 3 Abs. 2 Satz 3). Der Auftragnehmer verpflichtete sich zudem, in den übrigen durch die Ausschreibung definierten Gebietslosen, für die er keinen Zuschlag erhalten habe, keine vertragsgegenständlichen parenteralen Zubereitungen abzugeben (§ 3 Abs. 2 Satz 4).

Der Kläger beteiligte sich an der Ausschreibung und erhielt - neben einem anderen Apotheker aus E… und zwei weiteren Apothekern aus F… und G… - den Zuschlag für die Losgebiete 1, 2, 24 und 25. In diesen Losgebieten informierte er die Arztpraxen über seine exklusive Lieferberechtigung. Die (Rahmen-)Vereinbarung unterzeichnete der Kläger erst auf eine E-Mail der Beklagten vom 06.04.2017 hin.

In Schreiben der D… vom 03.04.2017 und 02.06.2017 wurde der Kläger darüber informiert, dass allein die Apotheke lieferberechtigt sei, die im Ausschreibungsverfahren den Zuschlag erhalten habe. Es wurde zudem darauf hingewiesen, dass bei Lieferung und Herstellung der von der Ausschreibung erfassten Wirkstoffe trotz bestehender Exklusivverträge die nicht versorgungsberechtigte Apotheke keinen Vergütungsanspruch erwerbe und mit anderen Apotheken geschlossene Verträge bis 31.08.2017 ihre Wirksamkeit behielten.

Von einer Arztpraxis in M…, die im Losbezirk 4 der D… liegt, für das eine Apotheke in N… den Zuschlag erhalten hatte und mit der eine entsprechende (Rahmen-)Vereinbarung geschlossen worden war, nahm der Kläger vertragsärztliche Verordnungen von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie (= Zytostatika) aus dem Zeitraum vom 16.06.2017 bis 29.08.2017 entgegen, stellte die Zubereitungen ordnungsgemäß her, gab sie an die Praxis zugunsten der versicherten Patienten ab und rechnete sie gegenüber der beklagten Krankenkasse ab (Gesamtbetrag 49.495,10 €), wobei die Verordnung zugunsten der Versicherten Z… nicht - wie ursprünglich angegeben - vom 14.09.2017, sondern vom 14.08.2017 stammt. Die Rechnungsprüfungsstelle der Beklagten informierte den Kläger mit Schreiben vom 10.04.2018 darüber, dass im Bearbeitungsmonat 3/2018 eine Nullretaxation beabsichtigt sei. Dem hiergegen gerichteten Einspruch des Klägers vom 09.07.2018, mit dem dieser auf den Wegfall der Exklusivität von (Ausschreibungs-)Verträgen mit Inkrafttreten des GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes (AMVSG) vom 04.05.2017 (BGBl. I S. 1050) verwies, entsprach die Beklagte nicht (Schreiben vom 17.07.2018). In den bezuschlagten Gebieten seien für die Laufzeit der D…-Verträge die Apotheken zur exklusiven Versorgung berechtigt gewesen, die den Zuschlag für dieses Gebiet erhalten hätten. Für den Kläger habe ein solches Vertragsverhältnis nicht vorgelegen. Ein Exklusivitätsverstoß habe eine Nullretaxation zur Folge. Die Beklagte verrechnete sodann im Juli 2018 den streitigen Betrag (...

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