Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Angelegenheiten nach dem SGB II. Hausverbot eines Job-Centers. formelle und materielle Rechtsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein von einem Jobcenter gegenüber einem Leistungsempfänger ausgesprochenes Hausverbot ist öffentlich rechtlicher Natur.

2. Zur Frage, ob für einen Rechtsstreit über ein Hausverbot für die Räume des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber einem Leistungsempfänger der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist.

3. Zu den Rechtsgrundlagen für die Ausübung des Hausrechts in einer öffentlich rechtlichen Einrichtung und daraus folgend für den Ausspruch eines öffentlich rechtlichen Hausverbotes.

4. Zu den formellen Anforderung an die Erteilung eines Hausverbotes.

5. In Fällen, in denen keine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung gegeben ist, übt der Behördenleiter das Hausrecht für die jeweilige Behörde aus. Es kommt nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Dienstgebäude an.

6. Das Hausverbot hat einen doppelten Regelungsgehalt. Zum einen enthält es das Gebot, sich aus dem in der Hausverbotsreglung bezeichneten Bereich zu entfernen, zum anderen das Verbot, den Bereich wieder zu betreten.

7. Zur Frage der Notwendigkeit einer Anhörung vor Erteilung eines Hausverbotes.

8. Die materielle Rechtmäßigkeit eines öffentlich rechtlichen Hausverbotes setzt zunächst eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes voraus. Inwiefern der Dienstbetrieb betroffen sein kann, bestimmt sich nach dem Widmungszweck der jeweiligen Behörde oder öffentlichen Einrichtung. Sodann steht die Entscheidung, ob auf die Störung des Dienstbetriebes hin ein Hausverbot ausgesprochen und wie es gegebenenfalls ausgestaltet werden soll, im Ermessen des Inhabers des Hausrechts. Hierbei ist zum einen das Willkürverbot zu beachten, das heißt der Hausrechtsinhaber muss sich bei seiner Entscheidung von sachgerechten Erwägungen leiten lassen. Zum anderen muss dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden.

9. Zu den Anforderungen an die Begründung des Hausverbotes.

10. Der gerichtlichen Prüfung unterliegen die Tatsachenfeststellungen und die rechtlichen Bewertungen des Behördenleiters in vollem Umfang. Entsprechendes gilt in Bezug auf die Prognoseentscheidung, die der Behördenleiter bezüglich der Wiederholungsgefahr zu treffen hat. Hingegen ist die Prüfungskompetenz des Gerichtes in Bezug auf die Teile der Hausverbotsentscheidung, hinsichtlich derer dem Behördenleiter ein Ermessensspielraum zusteht, eingeschränkt.

10. Zur Anforderung an die Prognose zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer neuen nachhaltigen Störung des Dienstbetriebes und zur Ermessensentscheidung, ein Hauverbot zu erlassen, wenn zwischen dem das Hausverbot auslösenden Ereignis und der Erteilung des Hausverbotes einige Zeit (hier sechs Wochen) vergangen sind.

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 2. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte, ein Jobcenter, wendet sich gegen eine Entscheidung des Sozialgerichtes, mit der dieses einen Bescheid, mit dem der Beklagte ein Hausverbot gegen den Kläger ausgesprochen hat, aufgehoben hat.

Der Kläger, der vom Beklagten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bezog, betrat am 7. Januar 2015 gegen 11.50 Uhr den Empfangsbereich der Agentur für Arbeit P…. In dem Gebäude befindet sich auch eine Dienststelle des Beklagten. Nach der von M… F…, einem Mitarbeiter eines in dem Gebäude tätigen, unter anderem mit Sicherheitsangelegenheiten befassten privaten Unternehmens, gefertigten Meldung habe der Kläger lautstark nach der Telefonnummer von G… S…, einer Mitarbeiterin, verlangt und sich über deren Anwesenheit erkundigt. Ein Sicherheitsmitarbeiter habe ihn aufgefordert, etwas mehr Ruhe zu bewahren. Beim Verlassen des Objektes habe der Kläger gesagt, dass er zwei Macheten habe und die Köpfe lautlos fallen würden. Dies habe er auch im BIZ (Berufsinformationszentrum) gegenüber A… E… geäußert. Als weiterer Sicherheitsmitarbeiter (SMA) ist auf der Meldung S… U… vermerkt.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2015 sprach der Beklagte gegenüber dem Kläger schriftlich ein Hausverbot für alle Räumlichkeiten des Beklagten für die Geschäftsstellen P…, S…, F… und D… aus. Dieses gelte ab sofort bis einschließlich 31. Dezember 2015. Die sofortige Vollziehung dieses Hausverbotes wurde angeordnet. Der Kläger wurde gebeten, zur zukünftigen Klärung seiner Anliegen den Postweg zu nutzen oder telefonisch einen Termin zu vereinbaren. In den vereinbarten Zeiträumen sei ihm das Betreten der Geschäftsstellen gestattet. Das Hausverbot wurde damit begründet, dass der Kläger mit seinem Verhalten erheblich die regulären Arbeitsabläufe des Beklagten gestört und sowohl Mitarbeiter des Beklagte...

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