Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Leistungsbeginn einer Verletztenrente. Übergangsrecht. altes Recht. neues Recht. Versicherungsfall vor dem 1.1.1997 im Beitrittsgebiet. "erstmals festzusetzen sind" iS von § 214 Abs 3 S 1 SGB 7. maßgeblicher Zeitpunkt: Entstehung und Fälligkeit des Leistungsanspruchs. Leistungsfall ab dem 1.1.1992. Anwendung des § 1546 Abs 1 RVO

 

Leitsatz (amtlich)

Im Sinne des § 214 Abs 3 S 1 SGB 7 sind Leistungen "erstmals festzusetzen", wenn die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.09.2010; Aktenzeichen B 2 U 3/10 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 29.06.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Zeitpunkt des Beginns der Verletztenrente des Klägers.

Der 1948 geborene Kläger erlitt am 05.10.1965 im Beitrittsgebiet einen Arbeitsunfall, bei dem er sich mit einer Kreissäge an der linken Hand verletzte. Wegen der Unfallfolgen wurde er in den Jahren 1965 und 1966 mehrfach operiert. Danach erfolgten keine weiteren Behandlungen mehr.

Am 19.10.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Begutachtung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 05.10.1965. Auf Veranlassung der Beklagten fertigte der Chirurg Dr. T am 13.02.2006 ein Gutachten nach Untersuchung des Klägers. Die durch den Arbeitsunfall vom 05.10.1965 bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage ab 01.10.2004 20 v. H. Der Chirurg Prof. Dr. K nahm beratungsärztlich Stellung. Die unfallbedingte MdE auf chirurgischem Fachgebiet liege lediglich bei 15 v. H.

Auf dieser Grundlage gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 03.05.2006 eine Stützrente nach einer MdE von 15 v. H. ab 01.10.2004. Im Widerspruchsverfahren fertigte der Neurologe und Psychiater Dr. Ki am 12.12.2006 ein weiteres Gutachten nach Untersuchung des Klägers. Die unfallbedingte MdE betrage auf neurologischem Fachgebiet 10 v. H., die Gesamt-MdE 20 v. H. Prof. Dr. K bestätigte diese Einschätzung beratungsärztlich. Die Beklagte half dem Widerspruch des Klägers daraufhin mit Abhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 27.02.2007 teilweise ab. Sie gewährte dem Kläger ab 01.10.2004 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. Gemäß § 215 Abs. 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie §§ 1156 Abs. 1 und 1546 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) sei die Rente ab 01.10.2004 zu gewähren.

Sein auf die Gewährung einer Verletztenrente ab 01.01.2000 gerichtetes Begehren hat der Kläger mit der am 26.03.2007 zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Die Rente sei unter Berücksichtigung der Verjährungsregelung des § 45 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ab 01.01.2000 zu gewähren. Die Unfallfolgen bestünden seit Jahrzehnten unverändert.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.06.2007 abgewiesen. Der Rentenbeginn richte sich gemäß § 212 SGB VII nach § 1546 Abs. 1 Satz 1 RVO. Danach sei dann, wenn die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt wurde, der Anspruch spätestens zwei Jahre nach dem Unfall bei dem Versicherungsträger anzumelden. Bei späterer Anmeldung begännen die Leistungen mit dem Ersten des Antragsmonats, wenn nicht die verspätete Anmeldung auf Verhältnissen beruht, die außerhalb des Willens des Antragstellers liegen. § 1546 Abs. 1 Satz 1 RVO sei vorliegend anzuwenden, weil sowohl der Versicherungsfall als auch der Leistungsfall vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 eingetreten sind und die Vorschriften der §§ 212 ff. SGB VII nichts anderes bestimmen. Von einem Leistungsfall vor dem 01.01.1997 sei auszugehen, weil auch der Kläger angegeben hat, dass die Unfallfolgen seit Jahrzehnten unverändert bestehen und dies in Übereinstimmung mit dem Behandlungsende 1966 steht.

Einen früheren Beginn der Verletztenrente könne der Kläger nur erreichen, wenn § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII anwendbar wäre. Nach dieser Regelung gälten die Vorschriften über Renten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzusetzen sind. Eine hierunter fallende Vorschrift über Renten sei § 72 Abs. 2 SGB VII, wonach Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt werden, der auf den Tag folgt, an dem der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist. Wäre diese Vorschrift auf die Verletztenrente des Klägers anwendbar, wäre dem Kläger die Verletztenrente somit grundsätzlich auch für Zeiträume vor dem 01.10.2004 zu bewilligen. § 72 Abs. 2 SGB VII sei jedoch hier nicht anwendbar, weil die Verletztenrente des Klägers im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII vor dem Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzusetzen war.

Zwar könne für eine Auslegung dahin, dass die in § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII enthaltene Formulierung "e...

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