Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. 3-Personen-Haushalt im Vergleichsraum Kamenzer Land (Landkreis Bautzen) in Sachsen. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept. Zeitraum von September 2016 bis Dezember 2018. Datenerhebung und -auswertung. Scheinmietvertrag. Heizkosten

 

Leitsatz (amtlich)

Für einen 3-Personen-Haushalt im Vergleichsraum Kamenzer Land (Landkreis Bautzen) liegt für den Zeitraum von September 2016 bis Dezember 2018 ein schlüssiges Konzept ("Konzept in der Neufassung 2016") vor.

 

Orientierungssatz

1. Die unselbstständige Anschlussberufung unterliegt keiner Statthaftigkeit, da sie keine Beschwer voraussetzt und somit auch ein Mindestbeschwerdewert gem § 144 Abs 1 SGG nicht erforderlich ist.

2. Vereinbarungen unter Verwandten über die Überlassung von Wohnraum können Rechtsgrundlage für die Anerkennung von tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als Bedarfe sein, wenn ein entsprechender rechtlicher Bindungswille besteht und es sich nicht um ein Scheingeschäft handelt, was unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger und auf die Anschlussberufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 22.08.2018 abgeändert. Der Beklagte wird, unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 25.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 23.11.2016, verurteilt, den Klägern für den Zeitraum vom 01.09.2016 bis 31.08.2017 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Form von Kosten der Heizung in Höhe von 35,69 Euro monatlich (kopfanteilig in Höhe von 11,89 Euro monatlich für die Klägerin zu 1. und jeweils in Höhe von 11,90 Euro monatlich für die Kläger zu 2. und 3.) zu zahlen.

II. Im Übrigen werden die Berufung der Kläger und die Anschlussberufung des Beklagten zurückgewiesen.

III. Der Beklagte erstattet den Klägern deren notwendige außergerichtliche Kosten zu einem Zehntel.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Rahmen bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den zwölfmonatigen (streitgegenständlichen) Zeitraum vom 01.09.2016 bis 31.08.2017.

Die 1965 geborene Klägerin zu 1. ist deutsche Staatsangehörige, gelernte Bäckerin, arbeitsuchend (seit 15.09.2020 bei einem Personaldienstleister wieder in Beschäftigung) und die Mutter der 2004 geborenen Klägerin zu 2. und des 2005 geborenen Klägers zu 3. Die Kläger bezogen im streitgegenständlichen Zeitraum lediglich Unterhaltsvorschuss (in Höhe von 194,00 Euro [von September 2016 bis März 2017] monatlich für den Kläger zu 3.) sowie Kindergeld (in Höhe von 190,00 Euro monatlich für die Klägerin zu 2. und 196,00 Euro monatlich für den Kläger zu 3.).

Sie bewohnten (im Zeitraum vom 07.02.2002 bis zum 03.05.2021) eine 98 m² große abgeschlossene Wohnung in einem Anbau des insgesamt 208 m² umfassenden Wohnhauses (W...., Ortsteil V....) des (2020 verstorbenen) Vaters der Klägerin zu 1. (U....). Diese Wohnung wurde (seit 01.01.2015) nahezu ausschließlich mit Fernwärme beheizt. Die Klägerin zu 1. und ihr - inzwischen geschiedener - Ehemann (T....) haben vier Kinder, so dass die Wohnung nach der Geburt des letztgeborenen Klägers zu 3. (2005) zunächst von sechs Personen bewohnt wurde. Der geschiedene Ehemann und zwei inzwischen erwachsene Kinder (S.... [geboren 1989] und R.... [geboren 1997]) zogen im Laufe der Jahre (zum 01.09.2012 [Ehemann und S....] bzw. zum 31.08.2014 [R....]) aus. Die Wohnung wurde im streitgegenständlichen Zeitraum nur von den drei Klägern bewohnt. Die Familie wohnte in dem Anbau zunächst mietfrei und zahlte auch keinen Beitrag zu den Nebenkosten. Zum 01.01.2005 beantragte die Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II. Ebenfalls zum 01.01.2005 schlossen die Klägerin zu 1. und ihr geschiedener Ehemann mit dem Vater der Klägerin zu 1. erstmals einen schriftlichen Mietvertrag. Es folgten weitere Mietverträge. Der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgebliche Mietvertrag wurde am 12.11.2008 zum 01.01.2009 geschlossen, wobei der geschiedene Ehemann der Klägerin zu 1. mit Mietaufhebungsvertrag vom 18.06.2012 zum 31.08.2012 aus dem Mietvertrag entlassen wurde. Ausweislich des Mietvertrages vom 12.11.2008 hatten die Vertragsparteien eine Staffelmiete vereinbart, beginnend zum 01.01.2009 mit einer Kaltmiete von 396,90 Euro. Ab 01.01.2015 war (bis auf weiteres) eine Nettokaltmiete in Höhe von 473,92 Euro vereinbart. Die Vorauszahlungen für die Heizungs- und Warmwasserkosten betrugen laut Mietvertrag monatlich 228,76 Euro, die sonstigen Neben- und Betriebskosten monatlich 134,00 Euro und die Kosten des Betriebs der Gemeinschaftsantenne/Satellitenanlage als monatlicher Festbetrag 5,00 Euro. An diesen Vorauszahlungspflichten hatte sich trotz jährlicher Betriebskostenabrechnungen und trotz Halbierung der Personenanzahl der Bedarfsgemeinsc...

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