Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Nichterfüllung der Anwartschaftszeit. Kindererziehungszeit. Begrenzung auf die Zeit bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres. keine erweiternde Auslegung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine erweiternde Auslegung von § 26 Abs 2a SGB 3 dergestalt, dass Erziehungszeiten über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus Berücksichtigung finden können, kommt nicht in Betracht.
2. In den unterschiedlichen Altersgrenzen im Arbeitsförderungsrecht und im Elternzeitrecht liegt keine planwidrige Gesetzeslücke, die es im Wege der ergänzenden Auslegung zu korrigieren gilt.
3. Die Regelung in § 26 Abs 2a SGB 3 ist nicht verfassungswidrig.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) in gesetzlicher Höhe für die Zeit ab dem 1. April 2011.
Die am … 1964 geborene Klägerin stand während der Zeit vom 1. Oktober 1992 bis zum 31. März 2011 als Redakteurin einer Tageszeitung in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, zeitweise unterbrochen von Elternzeiten. Nach der Geburt ihrer Tochter am … 2003 nahm die Klägerin nach Ablauf des Mutterschutzes in der Zeit vom 18. Oktober 2003 bis zum 18. Oktober 2004 Elternzeit. Im Anschluss daran ging sie bis zum 10. August 2006 erneut ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Nach der Geburt ihres Sohnes am … 2006 und dem Ablauf des Mutterschutzes nahm die Klägerin zunächst in Bezug auf ihren Sohn vom 11. August 2006 bis zum 11. August 2009 und in der Folge in Bezug auf ihre Tochter vom 13. August 2009 bis zum 13. August 2010 Elternzeit. Im Anschluss daran nahm sie wieder ihre versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 31. März 2011 beendet.
Am 10. Februar 2011 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 1. April 2011 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 24. März 2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin in den letzten zwei Jahren vor dem 1. April 2011 weniger als 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Eine Berücksichtigung von Erziehungszeiten als gleichgestellte Zeiten gemäß § 26 Abs. 2a SGB III sei nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes möglich. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2011 zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 15. Juni 2011 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass sie die notwendigen Anwartschaftszeiten erfülle. Die Erziehungszeiten seien auch in Bezug auf ihre Tochter als gleichgestellte Zeiten gemäß § 26 Abs. 2 a SGB III anzuerkennen. Die Vorschrift müsse im Zusammenhang mit den Vorschriften zum Elterngeld verfassungs- und europarechtskonform ausgelegt werden. § 26 Abs. 2a SGB III lasse außer Acht, dass nach § 15 Abs. 2 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG) die Möglichkeit der Aufsplitterung von Elternzeit bestehe. Der Gesetzgeber habe bei der Regelung von § 26 Abs. 2a SGB III diese Möglichkeit übersehen. Das offensichtliche Redaktionsversehen sei im Wege der ergänzenden Gesetzesauslegung zu korrigieren.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. Januar 2013 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 1. April 2011. Sie habe innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren lediglich an 264 Kalendertagen und nicht mindestens 360 Kalendertage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Damit erfülle sie die notwendige Anwartschaftszeit nicht. Weitere Erziehungszeiten seien nicht zu berücksichtigen. § 26 Abs. 2a Nr. 1 SGB III beziehe sich nur auf Kinder, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Es bestehe weder eine Gesetzeslücke, noch sei die Vorschrift verfassungswidrig.
Gegen das ihr am 30. Januar 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Februar 2013 Berufung eingelegt. Sie verbleibt bei ihrer erstinstanzlich vertretenen Auffassung, wonach die Erziehungszeiten über den Gesetzeswortlaut von § 26 Abs. 2 a SGB III hinaus anzurechnen seien. Dass ein offensichtliches Redaktionsversehen des Gesetzgebers vorliege; ergebe sich aus der Bundestagsdrucksache 14/6944. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 (Az. 1 BvL 10/01) eine Verletzung von Artikel 6 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) angenommen habe, weil Zeiten wegen mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote nicht in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung berücksichtigt worden seien. Da typischerweise Mütter betroffenen seien, liege zudem eine geschlechterspezifische Diskriminierung vor.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Januar 2013 dahingehend abzuändern, dass der Beschei... |