Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Auskunftsverlangen gegenüber einem potenziell Unterhaltspflichtigen. Nichterforderlichkeit des tatsächlichen Bestehens eines Unterhaltsanspruchs. Negativevidenz
Leitsatz (amtlich)
Unterhaltspflichtige haben dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen, sofern nicht ausnahmsweise ein Fall der sogenannten "Negativevidenz" vorliegt.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 31. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufforderung des Beklagten, Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen.
Mit Schreiben vom 23. März 2016 wandte sich der Beklagte an die Klägerin. Er teilte mit, dass der Vater der Klägerin, C.... (geb. 1943), ab April 2016 Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beziehe, um seine Unterbringung im Altenheim "D...." in E.... finanzieren zu können. Die Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III (Bescheid der Pflegekasse bei der AOK PLUS vom 22. Dezember 2014) sowie seine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuzüglich einer "ZVK-Rente" reichten nicht aus, um die Heimkosten zu finanzieren. Der Unterhaltsanspruch, den der Leistungsempfänger (der Vater) nach bürgerlichem Recht gegen die Klägerin habe, sei vom 1. März 2016 an gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen gemeinsam mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch nach § 117 Abs. 1 SGB XII auf den Beklagten als örtlichem Sozialhilfeträger übergegangen. Am selben Tag erließ der Beklagte dazu einen Bescheid. Damit verpflichtete er die Klägerin, bis zum 25. April 2016 über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen. Auf dieser Grundlage sei es dem Beklagten möglich zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klägerin zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen herangezogen werden könne.
Dagegen legte die Klägerin am 15. April 2016 Widerspruch ein. Die Vaterschaft des Herrn C.... werde bestritten. Dieser sei auch nicht pflegebedürftig. Er müsse lediglich seinen Alkoholkonsum reduzieren. Die offenbar verabreichten Psychopharmaka seien nicht erforderlich. Zudem sei die Klägerin gegenüber Herrn C.... nicht unterhaltspflichtig. Dieser verfüge über ausreichende eigene Mittel, um seine Existenz zu sichern. Zumindest könnte er nach der Ansicht der Klägerin über derartige Mittel verfügen, sofern er eine Rente wegen "Republikflucht" beantragen würde. Schließlich habe er über mehrere Jahre im Gefängnis eingesessen. Zudem verfüge er eventuell über weiteres Vermögen, da er relativ gut verdient habe. Da die Ehefrau des Klägers zu DDR-Zeiten in einem Jugendwerkhof untergebracht worden sei, stehe dieser ebenfalls eine "Opferrente" zu, die sich nach den Überlegungen der Klägerin auf mehr als 10.000 Euro belaufe.
Darüber hinaus sei ein möglicher Unterhaltsanspruch ausgeschlossen, da sich Herr C... gegenüber der Mutter der Klägerin und ihren Geschwistern in schwerwiegender Weise fehlverhalten habe. So habe Herr C... nach der Ehescheidung im Jahre 1964 keinen Unterhalt gezahlt. Zudem sei die Ehe nur von kurzer Dauer gewesen. Bereits während der Ehe sei Herr C... seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern den Unterhalt schuldig geblieben. Ferner habe er durch erhöhten Alkoholkonsum seine Bedürftigkeit selbst herbeigeführt. Schließlich habe Herr C... schwere Straftaten zum Nachteil der Mutter der Klägerin und ihrer Geschwister begangen. So sei er wegen mehrfacher Körperverletzung verurteilt worden. Wiederholt habe Herr C... das Bett der seinerzeit sechs bis zwölf Monate alten Klägerin mit Rasierklingen versehen. Der jüngere Bruder der Klägerin habe versucht, sich umzubringen. Da Herr C... wegen Diebstahls und Betrugs verurteilt worden sei, sei davon auszugehen, dass er solche Delikte auch zum Nachteil der Klägerin und ihrer Mutter begangen habe. Zudem habe er außereheliche sexuelle Beziehungen zur Großmutter der Klägerin unterhalten. Jedenfalls bestehe keine Unterhaltspflicht wegen grober Unbilligkeit. Die schwerbehinderte Klägerin erziele kein Einkommen und sei gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtig.
Nach erläuternden Schreiben des Beklagten vom 19. April 2016 und vom 9. Mai 2016, verbunden mit der - erfolglosen - Bitte, über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nunmehr bis zum 20. Mai 2016 Auskunft zu erteilen, erging der Widerspruchsbescheid vom 30. November 2016. § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII begründe einen eigenständigen öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch, der vom zivilrechtlichen Auskunftsanspruch nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 1605 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu unterscheiden sei. Das Auskunftsverfahren nach § 117 Abs....