Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsausfüllende Kausalität. Wahrscheinlichkeit. Anlageleiden. wesentliche Mitursache. sekundäre Gesundheitsstörung. seelische Störung. gesicherte Erkenntnisse der psychiatrischen Wissenschaft. generelle Geeignetheit. somatoforme Schmerzstörung. depressive Fehlverarbeitung
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer somatoformen Schmerzstörung mit depressiver Fehlverarbeitung durch Iatrogenisierung als weitere Folge eines Arbeitsunfalles.
2. Für die Annahme eines Kausalzusammenhanges zwischen einer bestimmten seelischen Erkrankung und einem bestimmten seelisch schädigenden Vorgang kommt es nicht darauf an, ob nach allgemeinem medizinischen Erfahrungswissen die seelische Erkrankung nach einem Vorgang dieser Art gehäuft auftritt bzw ob ein seelisches Trauma der in Rede stehenden Art und Schwere generell geeignet ist, die aufgetretenen Störungen zu verursachen (Abgrenzung von BSG vom 26.1.1994 - 9 RVg 3/93 = BSGE 74, 51 = SozR 3-3800 § 1 Nr 3 und von BSG vom 18.10.1995 - 9/9a RVg 4/92 = BSGE 77, 1 = SozR 3-3800 § 1 Nr 4).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen eines Unfallereignisses Anspruch auf Verletztenrente und die Feststellung von Gesundheitsstörungen hat.
Der ... 1961 geborene Kläger arbeitete seit 1991 als Kfz-Schlosser bei der Firma A D GmbH in L, als er am 09.10.1997 im Betrieb ein fahrbares Gerüst bei einer Gerüsthöhe von 1,8 bis 2 Metern - so der Unfalluntersuchungsbericht - von außen habe besteigen wollen. Er habe ein Bein in ca. 60 cm Höhe auf eine Aufstiegssprosse gesetzt und sich mit beiden Händen an der Plattform hochziehen wollen. Versehentlich habe er eine zum Schutz vor Schweißfunken aufgelegte Schutzplatte erfasst, die ihm entgegenrutscht sei. Beim Sturz habe der 105 kg schwere Kläger noch versucht, sich mit seinem linken Arm festzuhalten. Der Kläger wird in einer späteren Epikrise der Klinik Flachsheide vom 24.07.1998 als mittelgroß, sehr kräftig, fast athletisch gebaut und leicht übergewichtig beschrieben. Nach der klägerischen Darstellung sei er - der Kläger -, schon auf dem Gerüst stehend, durch den abklappenden Boden des Gerüstes gestürzt und habe dabei versucht, sich noch festzuhalten. Jedenfalls fiel der Kläger ungeachtet des genauen Unfallhergangs rücklings auf den Boden und schlug auf der Abstützung einer Diagonalstrebe auf. Der Durchgangsarzt stellte beim Kläger insbesondere eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) und eine Prellung der linken Schulter fest. Im Nachschaubericht vom 28.11.1997 beschrieb Prof. Dr. J, Direktor der Chirurgischen Klink und Poliklinik III der Universität L, noch eine HWS-Distorsion mit ständigen Schmerzen im HWS-Bereich und Kopfschmerzen sowie Schmerzen im linken Arm. Auch wurde ein Diskusprolaps beschrieben. Von seiner Seite kam der Vorschlag einer HWS-Operation. Der Kläger wandte sich danach mit den vorhandenen MRT-Bildern an den Neurochirurgen Prof. Dr. S. Dieser meinte in seinem an Prof. Dr. J gerichteten Arztbrief vom 01.12.1997, dass beim Kläger im Bereich C 5/6 nur eine subligamentäre Protrusion vorliege, die den Liquorraum gering einenge, ohne das Mark zu tangieren. Es bestehe daher keine Indikation für eine HWS-Operation. Traktionsverletzungen des Plexus brachialis - wie beim Kläger linksseitig vorhanden - hätten eine günstige Verlaufsprognose. Der Kläger könne aber die extrem schwere Arbeit in oft physiologisch ungünstiger Körperhaltung nicht mehr wie bisher durchführen.
Schon gut zwei Jahre vor dem Unfall am 09.10.1997 hatte der Kläger einen Verkehrsunfall erlitten. In einem für die V-Versicherung AG von Prof. Dr. S am 09.11.1995 erstellten Gutachten, das die Folgen eines am 07.08.1995 erlittenen Verkehrsunfalls des Klägers zum Gegenstand hatte, wurde eine Beschleunigungsverletzung der HWS mit einem protrahierten Heilungsverlauf beschrieben. Ab dem 15.09.1995 war der Kläger, der zunächst schon vor dem Verkehrsunfall wegen anderer Leiden arbeitsunfähig war, bis zum 10.04.1996 wegen der Beschleunigungsverletzung arbeitsunfähig krank. Deswegen war er auch nochmals vom 24.09. bis 26.10.1996 und am 28.02.1997 arbeitsunfähig krank. In einem Arztbrief des Städtischen Klinikums St. G L vom 18.10.1996 wurde mitgeteilt, dass der Kläger seit längerer Zeit Schmerzen in der HWS angebe, besonders bei Kopfdrehung. Manchmal träten Parästhesien in beiden Händen auf. Als Befunde wurden Schmerzen bei Drehung und Neigung des Kopfes in alle Richtungen und eine verspannte Schulter-Nacken-Muskulatur erhoben.
Am 19.02.1998 berichteten Prof. Dr. J und die Assistenzärztin S, dass der Kläger seit seiner Wiedervorstellung am 17.10.1997 über eine Kraftminderung im Bereich des linken Armes sowie über Missempfindungen (Kribbeln) im Bereich der linken Finger klage. Bei der erneuten Vorstellung am 12.02.1998 habe der Kläger nur eine leichte Besserung angegeben. Aus einer über ein Telefonat mit Prof. Dr. S am 0...