Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderungsanspruch des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber Verfügenden bei Rentenüberweisung nach dem Tod des Rentenempfängers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verfügende iS des § 118 Abs 4 S 1 SGB VI sind Personen, die nach dem Tod des Versicherten als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos des Versicherten vorgenommen oder zugelassen haben. Dies setzt mehr als nur die Verfügungsberechtigung über das Konto voraus. Denn der Verfügende muss dem Geldinstitut gegenüber wirksam zu Lasten des Kontos verfügt, also Rechtsgeschäfte vorgenommen oder zugelassen haben, die unmittelbar darauf gerichtet waren, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben (Anschluss an BSG vom 10.7.2012 - B 13 R 105/11 R = SozR 4-2600 § 118 Nr 11 RdNr 29 f).

2. Das Zulassen eines banküblichen Geschäfts erfordert ein pflichtwidriges Unterlassen durch vorwerfbar unterlassene Handlungen (wie zB die Kontosperrung oder andere gebotene Handlungen), durch die Verfügungen Dritter über das Konto verhindert werden können. Das bedeutet, dass eine Pflicht zum Handeln bestanden haben muss. Eine solche kann sich ua aus der Vollmacht/Verfügungsberechtigung selbst, den Absprachen zwischen Kontoinhaber und Verfügungsberechtigtem, anderen Verfügungen des Kontoinhabers oder sonstigen Umständen wie etwa einem rechtlichen und/oder familiären Näheverhältnis ergeben.

3. Mit der Einräumung der Kontovollmacht bzw Verfügungsberechtigung ist nicht ohne Weiteres die Verpflichtung des Berechtigten verbunden, nach dem Ableben des Kontoinhabers alle das Kontoguthaben vermindernden Verfügungen verhindern zu müssen. Aus der hierzu bestehenden rechtlichen Möglichkeit folgt nicht auch ohne Weiteres die rechtliche Verpflichtung hierzu.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 21. März 2018 und der Bescheid der Beklagten vom 7. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2013 aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 886,63 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung der Beklagten i.H.v. 886,63 € für Rentenleistungen, welche sie über den Sterbemonat der Versicherten hinaus gezahlt hat.

Der Kläger ist der Sohn der 1935 geborenen und am 29.04.2011 verstorbenen Versicherten Y.... Diese bezog von der Beklagten eine Altersrente für Frauen und eine Hinterbliebenenrente. Beide Rentenleistungen wurden ihr am 29.04.2011 für den Folgemonat überwiesen.

Seit 28.08.2003 war der Kläger als Verfügungsberechtigter für das Konto der Versicherten …. (vormals ….) bei der X.... Sparkasse A.... eingetragen, auf das die monatlichen Rentenleistungen gezahlt wurden. Von der Verfügungsberechtigung machte der Kläger zu keinem Zeitpunkt Gebrauch.

Die Beklagte machte mit Schreiben vom 05.05.2011, das bei der Sparkasse am 11.05.2011 einging, eine Erstattungsforderung nach § 118 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bezüglich der überzahlten Rentenleistungen gegenüber der Sparkasse geltend. Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 17.05.2011 teilte die Sparkasse mit, am 29.04.2011 sei eine Rentenleistung in Höhe von 831,69 € auf dem Konto der Versicherten eingegangen, die sie am 11.05.2011 in Höhe von 828,56 € an die Beklagte erstattet habe. Daneben sei am 29.04.2011 eine weitere Rentenleistung in Höhe von 1.028,80 € auf dem Konto der Versicherten eingegangen, die am 11.05.2011 lediglich in Höhe von 138,30 € erstattet worden sei, weil damit das Gutachten auf dem Konto der Versicherten aufgebraucht gewesen sei. Der Stand des Kontos der Versicherten habe bei ihrem Ableben am 29.04.2011 ohne die Rentenleistungen +99,33 € und am 11.05.2011 nach Begleichung der Erstattungsforderungen der Beklagten im angegebenen Umfang -6,00 € betragen. Die zwischen dem 29.04.2011 und 11.05.2011 erfolgten Kontobewegungen gab die Sparkasse folgendermaßen an:

29.04.2011

+831,69 €

Eingang Rente

29.04.2011

+1.028,80 €

Eingang Rente

29.04.2011

-40,00 €

Krankenhaus W....

29.04.2011

-38,14 €

V.... AG

02.05.2011

-6,00 €

Gebühren

02.05.2011

-27,55 €

U.... Versicherungen

02.05.2011

-31,58 €

V.... AG

02.05.2011

-16,90 €

T.... GmbH

03.05.2011

-7,49 €

S.... 

05.05.2011

-8,49 €

R.... Talkline

05.05.2011

-25,00 €

Q.... Sparkassen mbH

05.05.2011

-356,31 €

P.... - Miete

06.05.2011

-14,90 €

O.... AG

09.05.2011

-20,00 €

N....-Stadtwerke A....

10.05.2011

-42,60 €

M.... GmbH

10.05.2011

-364,00 €

L....-Dienste gGmbH

11.05.2011

-828,56 €

Rentenrückzahlung

11.05.2011

-138,30 €

Teilrückzahlung Rente.

Nach dem Tode der Versicherten wandte sich der Kläger an die X.... Sparkasse A..... Dort erhielt er nach eigener Einlassung den Hinweis, er benötige zur Kontoschließung die Sterbeurkunde. Nach Erhalt der Sterbeurkunde löschte er am 27.05.2011 das Konto der Versicherten. Der Kläger ...

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